In den mir vorliegenden Unterlagen über die Flörsheimer Fischer und die Vereinstätigkeit des im Jahre 1900 gegründeten „Fischerei-Verein e. V. Flörsheim a. M.“ fand ich die nachfolgend in Dokumenten und meiner Übertragung gezeigte Chronik. Sie ist mit blauem Stift mit F. K. P. Nhr, also Franz Karl Peter Nauheimer, unterschrieben, doch ich gehe davon aus, dass er sie nicht geschrieben hat.

Februar 1911

Auszug aus der Chronik von Flörsheim!

Fischerei=Gerechtsame.

Der Haupterwerb der hies. Bürger war schon
um und vor dem 12. Jahrhundert die Schifferei und
Fischerei=Gerechtsame, welche sie von undenklichen
Zeiten ausübten. Die Flörsheimer Fischer übten
schon von undenklichen Zeiten die Fischerei
vom „Rothen Hamm“ sog. „Maingall“ bis
zum Einfluß des Main in den Rhein aus,
denn dieser Bezirk gehörte dem Kurfürsten von
Mainz zu. Mehrere Streitigkeiten entstanden
mit den Städten Frankfurt, Höchst. p.p. und

infolge dessen gab der Graf Philipp Graf von
Fugger folgende Abhandlung über die Grenzen
der dem hohen Kurthum Mainz über den Main-
strom von Lohr bis an dessen Ergießung in
den Rhein zustehenden Oberherrschaft heraus
welche lautet:

§ 1 und 2.
Völkerschaften, wenn sie zwischen ihren Besitzung-
en die Grenzen bezeichnen wollten, bedienten sich,
unter anderen natürlichen und unveränderlichen
Zeichen, meistens die Flüsse.

§ 10.
Der Fluß besteht nicht allein in dem Wasser,
welches in seinem Bette dahin rinnet, samt allem
dem, was es in sich enthält, sondern auch Inseln,

Auen, Wörte, Sände, Ufer, Leinpfäde p.p. als Zugehörungen.

§ 11.
Es gehört ferner zu demselben alles das, was sich
wegen des Flußes darin, darauf oder daran ergibt;
nämlich Nutzbarkeiten und Befugnisse. Die
Hauptnutzbarkeiten liegen in der Fischerei und der
Schifffahrt. Die erste begreift alles, was in dem Fluß
gefunden oder von demselben ausgeworfen wird;
die andern aber, das Recht nicht allein auf alle Art mit
Schiffen auf- und abzufahren, Flöße zu führen, von
einem Ufer an das andere überzusetzen, Marktschiffe
zu halten, Brücken zu schlagen p.p. sondern sich
auch von denen, so sich des Flusses, und der deßhalb
zur Gemächlichkeit und Sicherheit getroffenen Anstalten
bedienen, gewisse Abgaben entrichten lassen.

§ 12.

Die Befugnisse, welche aus der Oberherrschaft eines
Stromes fließen, sind sehr verschieden. Die vorzüg-
lichsten machen die bürgerlichen und peinliche Gerichts-
barkeit und die Oberaufsicht der Flußpolizei aus.
Zur Gerichtsbarkeit gehört die Gesetzgebung auf dem
Fluße überhaupt, die Untersuchung und Entscheidtung
aller Vorfallenheiten, Bestätigung der Schifffahrts-
gesellschaften, Hebung der todten Körper, die Bestraf-
ung der Flußfrevler, als Schiffs- und Fischdiebe,
Uferbeschädiger p.p. – die Polizei sucht die Schutzbar-
keiten des Stromes auf die beste Art zu wahren, und auf
die sicherste und ungefährlichste zu genießen. Sie
machet daher Schiff- Fluß- und Fischverordnungen, schaffet
alles weg, was der Schifferei und der Fischerei hinderlich oder
schädlich, verhütet Wasserschäden, sorget für die Sicher-
heit, vergleitet die, so sich des Flusses bedienen,

stellet Leinpfäden her und unterhält sie.

§ 13.
In diesen natürlichen Teilen, in dem Genusse dieser
Nutzbarkeiten und der Ausübung dieser Rechte wird also
das ganze Eigentum, die ganze Oberherrschaft eines Flußes,
so wie sonst das Eigentum einer jeden anderen Sache
bestehen. Und wer diese besitzt, genießt und ausübt,
dem wird wohl niemand das Eigentum des Flußes
absprechen.

§ 14.
So wenig man aber daraus, daß jemand durch Verleih-
ungen, Verträge oder Verjährungen sich von Gebrauch einer
Sache hat einschränken lassen, folgern kann, er habe selbst
kein Eigentum an der Sache; ebenso wenig wird man
dem Besitzer eines Flußes, der sich das aus seinem


Eigentum fließenden Erhaltungsrechtes bedient, und
davon an andere, aus guten Ursachen, etwas abgibt, der-
gleichen behaupten können, sonderen vielmehr aus
ebensolchen Verfügungen auf das Eigentumsrecht
schließen müßen:
Wovor(?) der dem hohen Kurtume Mainz zustehen-
den Landeshoheit auf dem Mainstrome überhaupt.

§ 15 und aus dem Auszug § 34.
Die alten Grenzstreitigkeiten würden sich in ein
weit helleres Licht setzen lassen, und manche würden
ihrer Entscheidung näher kommen, wenn man bei
denselben etwas höher, als ein Jahrhundert in der
Geschichte der Besitzungen hinaufstiege – So dunkel
das mittlere Zeitalter an sich selbst zu sein scheint;
so viel Aufklärung kann es über zweifelhafte Fälle
verbreiten, wenn man es um Rat fragt. Aber
die meisten Schriftsteller begnügen sich bei ihren

Berichtigungen, leider, nur mit dem, was vor ihnen liegt,
und daher geschieht es auch, daß man zum Nachteile der
Länder-und Fürstenrechte, lieber den Knoten mit der
Axt entzweihaut, als denselben mit etwas mehr Mühe und
Gewißheit zu lösen suchet.

§ 16
Vom Rheine an bis ins Herzogtum Franken war der
Erzbischof zu Mainz der mächtigste am Mainstrome.
Er war das hier, was an den anderen großen Flüßen
Deutschlands die Herzoge und Fürsten waren.

§ 18
… Satz lautet: Wie konnten sie sich nachher Rechte
auf dem Maine anmaßen wollen, die nicht er-
ledigt, sondern von Mainz in Besitz gehalten waren
(gemeint sind hier die benachbarten Reichsfürsten.)

§ 19

Die Erzbischöfe zu Mainz hingegen die in Verbindung
der anderen mächtigen Fürsten an dem Rheine die
Vorteile der Flüße haben kennengelernt, sahen nur
zu Gut ein, daß der Mainstrom für sie wie der
Rhein, verhältnismäßig einträglich wäre; sie ließen
sich daher schon von undenklichen Zeiten von den
Kaisern belehen, und bewachten daher darauf ihre
Obrigkeit her. Sie waren schon längst in genossenem
Besitze als Karl der IV. ihnen denselben 1356 bestätigte.
Auch hörte man wirklich vor dem 16.ten Jahr-
hundert von einer denselben gemachten Einwendung-
en nicht das mindeste. Zu den neueren Zeiten
wurde dieser ruhige Besitz von verschiedenen An-
greifern zerstört; aber eben diese unrechtliche Angriffe,
und was damit verbunden war, zeugten von dem
rechtmäßigen Besitzstande. Das ganze Betragen der

Kurfürsten von Mainz in den neueren Zeiten,
die von denselben zur Aufrechterhaltung ihrer Rega-
lien wieder die Eingriffe öffentlich getanen Schritte,
die sie nicht hätten wagen dürfen, wenn die
Obrigkeit nicht öffentlich bekannt wäre und aner-
kannt wäre, das ruhige Stillsitzen dabei der nur im
Dunkelen durch …griffe sich heimlich in den Besitz
schleichen wollenden Nebenläger, um aus denselben
sich ein Recht und Titel erzwingen zu können; die
Betätigungsschreiben der Kurfürsten, die Verwahrung
und Einsprüche, wo auch nur bei weitem etwas
Nachteiliges zu besorgen war, bekräftigen ihr Recht.
Diese Kurfürsten waren so eifersüchtig auf ihre Main-
Herrschaft, daß sie gegen das Ende des 15.ten Jahrhunderts
nicht einmal den Rüsselsheimer Burgbau, der
doch ziemlich vom Maine wegliegt, leiden wollten,
sondern ihn als ein Gegenstand betrachteten der ihnen
vielleicht mit der Zeit schädlich werden könnten.

Aller Mühe ungeachtet, konnten ihn die Grafen von
Katzenellenbogen wegen der gerechten und begründ-
eten Einsprüche der Kurfürsten nicht zu Ende bringen,
sondern mußten ihn unvollführt liegen laßen.
Erst dem Hause Hessen gelang es nachher, mit List
diesen Bau aufzuführen.

§ 21.
Die Bestätigungsurkunde über den Mainfluß sind:
1. Urkunde vom Jahre 1356 von Karl IV. welcher dem
Erzbischof Gerlach alle Privilegien, Freiheiten und
Regalien, welche das Erzstift Mainz auf dem
Main hatte.
2. Bestätigung von Kaiser Rupprecht 1400 in

den nämlichen Ausdrücken, wie vorher, dem Kurfürsten
Johann.
3. fügte Siegmund in einer deutschen Urkunde
von 1434 für Kurfürsten Dietrich noch zu den Worten:
„Gericht, Zoll, Geleid, Obrigkeit, Angriff, Jurisdiktion
zu Wasser und zu Lande des Maines. Wasser, Fähre,
Fischerei-Herrlichkeiten mit aller und jeglichen
ihrer Zugehörungen; und wäre es auch, daß wir als
ein römischer Kaiser unser Vorfahren Kaiser oder
König Personen oder Städten ,wär die wären, Briefe
oder Handwesten gegeben hätten oder geben die
wieder solche Handwesten, Briefe – Gnade – Freiheit-
als sie die Herbracht haben, des obengenannten
Dietrichs, Erzbischof und des Ertzstifts zu Mainz wären
oder gesein möchten, das ist unser Meinung nicht,
daß damit ihne oder seinen Stift ihre Rechte,

Privilegien oder Herkommen nicht geschwächt
sollen sein oder zu Schaden kommen.
4. Kaiser Max bestätigt 1486 dem Kurfürsten
Bertold seine Regalien und Oberherrschaft auf den
Main mit denselben Worten wie vorher von
Kaiser Siegmund.
5. Verlieh Kaiser Max 1507 noch vollständiger dem
Kurfürsten Jakob die Regalien auf dem Main folgen-
der Maßen:
„Alle und jegliche sein und seines Stifts Regalien,
Obrigkeit, Angriffe und Jurisdiktion auff Wasser
und Land, auch Wasserflüsse, Leinpfäden am
Main, Inseln und nur Werden oder Sänden
mit allen Regalien, Rechten, wie die sein oder
sein möchten, so weit seines Stifts Güter oder
fürstlich Recht und Obrigkeit begriffen, nichts

ausgenommen in aller Maßen und Rechten,
die seine Vorfahren Erzbischöfe zu Mainz bis auf
ihn, und er bisher eingehabt.
6. Bestätigt Karl das 5 Lehnbrief für Kurmainz
Sebastian 1546 in den nämlichen Ausdrücken,
wie der vorige; hingegen ist
7. Kaiser Ferdinands Bestätigungsbrief für Kurfürst
Daniel 1558 wie die vorhergehenden mit
den Ausdrücklichen Worten:
„Über das Wasser des Main und dessen
Lauf über dessen Ufer, und die anderen
kleinen Flüsse die sich dem Mainufer
nähern, alle Rechte und Gerichtsbarkeit, alle
Schifffahrt, alles Fahr- und Floßrecht, die
Fischweiden und Fischereien, die Zölle und
das Geleit.

§ 28. Schluß
Hieraus ist völlig bewiesen daß das hohe Kurmainz
die völlige Landeshoheit auf beiden Seiten des
Stromes, auch da, wohin seines Stiftes Güter zwar nicht
reichen, aber doch sein fürstliches Recht und Obrig-
keit begriffen, zustehe; auch wird niemand mehr
die von den gegnerischen Schriftstellern gemachte
Einwendungen, nach Prüfung derselben, von solchem
Gewichte finden, daß sie diese mainzische hohe
Gerechtsame auf dem Maine wankend zu machen
vermögend wären.
Weiter geht aus dieser Verhandlung unzweifel-
haft hervor, daß Kurmainz aber auch die Gerecht-
same wie die Fischerei-Gerechtsame p.p. vergeben
kann wem sie will, freilich hat es in neuerer

Zeit, die Frankfurter das Fischereirecht auf dem
Main für sich in Anspruch genommen und die
Stadt stützte sich auf ein Privileg von Kaiser
Friedrich III aus dem Jahre 1356, aber in dieser
Urkunde stehet mit keinem Wort etwas von
Fischereiregalen auf dem Main. Auch der Stadt
Höchst beruft sich auf ein Privilegium Karl IV.
aus dem Jahre 1356, welches wiederum soweit
es sich um die Fischerei-Gerechtsame handelt als
unrecht bezeichnet wurde. Von dem unter-
halb Höchst liegenden Fischern wurde es wieder-
legt, da in der betreffenden Urkunde kein Wort
von Fischerei-Gerechtsame erwähnt wurde, sondern
nur die Stadtfreiheit und das Recht sich zu
befestigen enthält.
Eine besondere Begebenheit soll hier noch in Erwäh-

nung geschrieben werden:
Am 6. Juni 1622 Abends spät hatten die hies. Fischer einen
ungewöhnlichen seltenen Fischfang, nämlich: Die
Leichen der Soldaten von Braunschweig p.p. welche
wie bekannt bei der Schlacht von Höchst während der
Flucht über die eilfertig geschlagene Mainbrücke welche
beim Übermarsch der Truppen zerbrach und die Soldaten in
den Fluten des Mainstroms ertranken, schwammen
die Leichen bei Flörsheim friedlich vorbei. Hier zogen
die hies. Fischer die Leichen aus dem Main und bevor
sie dieselben begruben, untersuchten sie ob Geld, Wert-
sachen p.p. nicht bei sich trugen. Es sollen hierbei manche
Fischer wohlhabende Leute geworden sein.

F.K.P.Nhr.

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