Alle Zeichnungen Franz Eberwein
Ein Bauwerk des Berthold von Henneberg
1. Der Bau des Landwehrs
Das Mainzer Domkapitel hatte 1270 Flörsheim und 1276 Hochheim erworben. Den Bau des Landwehrs hat Berthold von Henneberg dem Domkapitel als dem Eigentümer der Gemeinden Hochheim und Flörsheim mit Schreiben vom 30. November 1484 mitgeteilt. Darin heißt es:
„Uch mag wol wissen sein, das wir furhaben, umb befriedigung willen unserer und uwerer underthanen, by Flerßheim und Hocheym hinuß ein Landwehr loaßen zu graben. Und darumb so begern wir an uch gar gutlich, Ire wollet etlich uß uch, deßgleichen zwene uß Flerßheym und zwene uß Hocheym darzu ordenen, die uff gesynnen unseres Amptmanns zu Mainz, dem wir solichs sampt unserm zolschraber zu Hoest zu besichtigen und mit denen, die Ire dazu orden werdent, zu ratschlagen befolhen haben, by die Dinge komen und solichs zum besten helffen besichtigen und auslagen, das kumpt uns zu sundern wolgefallen und uweren und unsern armen luten zu besonderer befriedunge.“
Im Auftrag des Fürstbischofs verkündet der Domdekan Bernhard von Breitenbach den Flörsheimern, dass sie ein Landwehr bauen müssen.
Die Bewohner von Flörsheim und Hochheim mussten beim Bau des Landwehrs Hand- und Spanndienste (Frondienste) und andere Leistungen erbringen. Später ergab sich daraus die kuriose Situation, dass die Flörsheimer und die Hochheimer sich beim Domkapitel über die vom Kurfürsten verordnete Fronarbeit beschwerten und das Domkapitel „auf Sabbato post Urbani (31. Mai) 1488“ den Ortsvorständen von Flörsheim und Hochheim den Rat gab, „daß die von Hocheim und Flerßheim sich weigern sollen zu fronen und zu dienen zu den Warten: „…und das myn herrn sie das beschaiden wollen, gefellet myn herrn, das die von Hocheim und Flerßheim zu solichen Warten und lantgreben auch zymelich (wenig) dienste thund sollen, dan sie auch arme und notturftig sind und vorhie mer viel dienst dazu getan haben.“
Ob das geschah, davon habe ich keine Kenntnis.
Übrigens war Berthold von Henneberg von 1474 bis 1484, also bis zu seiner Wahl zum Mainzer Erzbischof, selbst Domdekan gewesen, er kannte seine Untertanen.
Wenn ich davon ausgehe, dass das Kasteler Landwehr anderen Landwehren ähnlich und mit Graben, Wall und Gebück ausgestattet war, dann sehe ich als ein nicht zu unterschätzendes Indiz dafür das noch gut erhaltene Landwehr in der Hochrhön (bei Oberelsbach) an, die vom Vater des Berthold von Henneberg, Graf Georg I. von Henneberg, im Jahre 1424 errichtet wurde, übrigens als ein einziger Wall mit zwei rechts und links davon liegenden Gräben. Die Wallkrone war mit Laubholz bepflanzt, trug also Gebück. Der junge Berthold, geboren 1441 oder 1442, hat dieses Landwehr sicher gesehen und seine Wirksamkeit erfahren. Wenn Berthold von Henneberg also selbst dann im Jahre 1484, im Alter von knapp über 40 Jahren und bereits Fürstbischof in Mainz, das Kasteler Landwehr vom kurfürstlichen Baumeister Henne Mor als Grenzbefestigung in Fronarbeit bauen ließ, dann hat der Sohn mit diesem Bauwerk sicher noch seinen Vater übertreffen wollen. Beweis hierfür die steinernen Warten, da es in der Rhön doch nur einfache, höchstens mit Schranken gesicherte Übergänge über die Gräben gab.
Die Warte mit Schranke und Bewachern sorgte dafür, dass für alle ins Mainzer Hoheitsgebiet eingeführten Waren die Zölle bezahlt wurden.
Die Schranke, auch Schneller genannt.
Die Übergänge in den Landwehren waren für Fuhrwerke, also für den Reise- und Warenverkehr, eingerichtet und bewacht, hier wurden die ins gesicherte Gebiet Einreisenden und ihre Waren kontrolliert, hier war Wegezoll zu entrichten. Einfache Hütten neben den Schranken, die man sich als Schlagbäume, so genannte Schneller, vorstellen muss, hätten hier wie anderswo genügt, doch es kann vermutet werden, dass Berthold von Henneberg mit dem Bau des Landwehrs und der Warten weithin sichtbare Zeichen setzen ließ, um seine Macht und sein Ansehen jedem Näherkommenden deutlich zu machen. Denn ein sich durch die Landschaft ziehender, weithin sichtbarer Pflanzenwall konnte die Grenze zu einem wehrhaften Land eindrucksvoll darstellen, und besonders die Warten zeigten schon von weit her an, dass dort ein mächtiger Herrscher sein Territorium zu verteidigen bereit war.
2. Der Verlauf des Landwehrs
Auf der schematischen Karte ist der Verlauf des Kasteler Landwehrs von Flörsheim bis zur Mosbacher Warte in Biebrich zu ersehen. Die Warten im Landwehr sind markiert, sie und die Durchlässe dort für Personen und für Ochsen, Pferde und Wagen, vor allem aber für den Warentransport, wurden dort gebaut, wo Fernwege auf das Kurmainzer Gebiet trafen.
Oberhalb Flörsheims, an der Grenze zu Wicker, führte eine alte Römerstraße ins kurmainzische Herrschaftsgebiet, ein Fernweg, der vom Limburger Becken von außerhalb des Römerreiches her kommend den Limes in der Nähe von Heftrich, genauer am Römerkastell Alteburg, querte. Danach lief er an Massenheim und Wicker vorbei – heute würde diese Straße als Taunusstraße geradewegs durch Wicker führen – und genau dort, wo der Fernweg auf die Flörsheimer Gemarkung traf, wurde ins sonst weithin undurchlässige Landwehr ein Durchlass und eine Warte gebaut.
In diesem Bericht werde ich die Warten im Landwehr nur kurz erwähnen; ihnen habe ich einen eigenen Beitrag unter dem Namen „Hennebergs Warten“ gewidmet. Den Bau des Landwehrs und der Warte durch die Bewohner Flörsheims habe ich in meinem Buch „Das Lächeln der Lisbeth Naumerin“ ausführlich beschrieben, hier eine Textprobe von Seite 117:
„Philipp Naumer wiegte nachdenklich seinen Kopf. „Kilian, das müssen wir mit dem Schultheiß ausmachen, ich spreche ihn mal an.. Aber nun zum Landwehr. Ich verstehe auch nicht alles und habe daher den Gerichtsschreiber eingeladen, der ja beim Dechanten gewesen ist und daher auch genau weiß, um was es dabei geht. er wird gleich kommen und uns berichten.“
Im selben Augenblick ging die Tür der Fischerstube auf, der Gerichtsschreiber trat ein, er hatte einen Becher Wein in der Hand und begrüßte mit „Gude“ die Versammlung.
Nachdem er am runden Tisch Platz genommen und vom Wein getrunken hatte, begann er: „Die Botschaft des Erzbischofs habt ihr ja vom Obermeister bereits gehört, nehme ich an. Gut, und sie ist so zu verstehen, dass alle Leibeigenen von Flersheim beim Bau des Landwehrs Frondienste und andere Leistungen erbringen müssen. Der Hochwürdige Herr Dechant Bernhard von Breitenbach, der die Arbeiten im Auftrag des Erzbischofs überwachen wird, geht davon aus, dass immer mindestens vierzig Leute von uns Flersheimern am Landwehr arbeiten müssen, Mannsleut, Weibsleut und Kinder. Eine Warte muss ebenfalls gebaut werden. Unser Schultheiß war vor …“
Kilian Hart unterbrach ihn: „Was ist denn eine Warte?“
„Eine Warte ist ein starker Turm, gemauert aus Kalksteinen“, gab ihm der Schreiber zur Antwort.“
Und noch eine Textprobe von Seite 125:
„Und so geschah es, dass für Mittwoch den 23. Februar 1485, eine Woche nach Aschermittwoch und somit in der Fastenzeit, aber auch einen Tag nach Petri Stuhlfeier, die Flersheimer Männer und Frauen vom Dechanten aufgerufen wurden, gemeinsam in einer Gruppe von mindestens sechzig Leuten eine Stunde nach Sonnenaufgang in Flersheim loszulaufen. Ein Treffen mit dem Baumeister Henne Mor war für die Stelle vorgesehen, wo der Steinweg von Wicker kommend auf Flersheimer Gemarkung stößt.
Es war ein kalter, schneefreier Tag mit hartem Frost auf allen Wegen und die Flersheimer, unter ihnen der Schultheiß, der Gerichtsschreiber und der Büttel, kamen gut voran; auch Peter Naumer und Lisbet Brekemer waren dabei, ebenso wie Henne und Heinrich Klepper und Josef Han. Oben auf der Höhe des Geißbergs angekommen mussten sie nicht lange warten, bis von Hochem her eine Kutsche herankam, gefolgt von vier Reitern.“
3. Die Gestalt des Landwehrs
Wann immer ich zwischen Flörsheimer Warte und Wiesenmühle unterwegs bin, bleibe ich auf dem Landwehrweg dort stehen, wo eine Tafel darauf aufmerksam macht, dass an dieser Stelle ein bepflanzter Wallgraben „die exemplarische Rekonstruktion eines Stücks der historischen ,Kasteler Landwehr'“ ist.
Alle Fotos hjg
Jedes Mal lese ich den Hinweis auf der Tafel und jedes Mal schüttele ich den Kopf. So soll es ausgesehen haben, das Landwehr des Berthold von Henneberg? Und über diesen schmalen Streifen soll es so viel Streit zwischen den benachbarten Gemeinden, vor allem zwischen Flörsheim und Weilbach gegeben haben? Das konnte ich mir nie vorstellen, und aus diesem Grunde habe ich versucht, Geschriebenes und Gedrucktes über das Kasteler Landwehr und Landwehren überhaupt zusammenzutragen, das Gelesene zu interpretieren, es mit eigenen Überlegungen und Beobachtungen auszustatten, um mir selbst eine Meinung über „unser“ Landwehr, das Kasteler Landwehr, zu bilden.
Dabei bin ich auf einige bemerkenswerte Tatsachen gestoßen, über die ich im Folgenden berichten will.
Zuvor aber noch ein Hinweis, sozusagen in eigener Sache: Ich sage und schreibe das Landwehr, weil nur dieser – sächliche – Artikel in den Grundstücksnamen an den Gemarkungsgrenzen Flörsheims vorkommt. Insofern halte ich mich an die historische Schreibweise.
Welche Gestalt hatte unser Landwehr? Wie sah es aus?
Heute sind mehr als fünfhundert Jahre seit seinem Bau vergangen, nur noch einige Unebenheiten als geringe, nicht besonders auffällige Reste des Landwehrs sind in der Landschaft erhalten geblieben, sie können kaum noch Hinweise auf Form und Ausführung der Anlage geben. Doch aus Aufzeichnungen und Überlieferungen kann eine Rekonstruktion versucht werden mit dem Ziel, Klarheit über die ursprüngliche Gestalt des Landwehrs zu gewinnen.
Denn das Kasteler Landwehr war ja nicht das einzige Landwehr im Deutschen Reich, im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation, im ausgehenden Mittelalter und zu Beginn der frühen Neuzeit gewesen. Und da wir von anderen Landwehren ziemlich genau wissen wie sie ausgesehen haben, können wir uns auch ein Bild davon machen, wie unser Landwehr beschaffen war:
Unser Landwehr bestand aus Graben, Wall und Gebück.
Der Graben war auf der Seite des zu schützenden Landes ausgehoben, der Wall dahinter mit dem Gebück darauf stellte das erste Bollwerk gegen das nachbarliche, das „feindliche“ Gebiet dar.
Doch wie groß, wie breit war die Graben-Wall-Anlage? Hier müssen wir dem Schrifttum glauben, das mit vielen Belegstellen eine Tiefe des Grabens mit zwei bis drei Metern angibt, allerdings auch manchmal mit nur einem Meter. Aber je tiefer und damit breiter der Graben, desto höher oder breiter der Wall. Wenn ich also eine Rekonstruktion unseres Landwehrs versuchen will, muss ich mit seinem Graben beginnen.
Von der Tiefe des Grabens ausgehend habe ich einige Zeichnungen der Graben-Wall-Anlage angefertigt. Dabei ging ich davon aus, dass der Aushub des Grabens gleich der Aufschüttung des Walls gewesen ist, allerdings vermehrt um einen Faktor von 1,2 bis 1,25, da gewachsener Boden eine größere Dichte aufweist als der davon gebildete Aufwurf.
Ich wollte meine Rekonstruktion mit einer Grabentiefe von drei Metern beginnen, ging aber bald davon ab. Schließlich musste der Graben nicht nur ausgehoben, der Aushub musste ja auch zu einem Wall aufgeschüttet werden. Das heißt, die wie immer gelockerte Erde musste mit Schaufeln hochgeworfen und verteilt werden. Da werden zwei Meter Tiefe genug gewesen sein, vor allem da der Graben auf der Seite des Walls ja noch auf dessen Höhe anstieg. Da außerdem zu Zeiten des Landwehrbaus noch in Schuh, jeder Schuh etwa 0,3 Meter lang, gerechnet wurde, nahm ich schließlich an, dass der Graben 7 Schuh, also etwa 2,1 m tief gewesen sein könnte, mehr als mannshoch zwar, aber nur so tief, dass eine Schaufel voll mit schwerer Erde über Kopf eine Strecke weit geworfen werden konnte.
Damit der Graben zu begehen war, habe ich eine Sohle von drei Schuh, also 0,9 Meter Breite angenommen (je schmaler die Sohle, desto eher konnte sie durch Nachrutschen der Böschungen verschwunden sein!). Für die beiden Böschungen des Grabens, die nicht bei jedem Regen oder gar Unwetter nachrutschen durften, habe ich den Böschungswinkel mit 45 Grad gezeichnet. Nach diesen Vorgaben ergibt sich eine Breite des Grabens von etwa fünf Metern.
Der zugehörige Wall konnte nun schmal und hoch oder breit und niedrig sein. Ich habe ihn 4 Schuh, demnach 1,2 Meter hoch gezeichnet, am Wallgrund 25 Schuh breit, demnach 7,5 Meter, und an der Wallkrone 17 Schuh breit, demnach 5,1 Meter, dort also mit ausreichendem Platz für das Anlegen eines Gebücks.
Gab es auf dem Wall des Kasteler Landwehrs überhaupt Gebück? In den mir zugänglichen Aufsätzen wird diese Frage zwar immer wieder gestellt, ist aber aus „Mangel an Beweisen“ nicht eindeutig beantwortet. Dennoch ist davon auszugehen, dass auch unser Landwehr mit Gebück bewehrt war, denn alle Landwehren, von denen Beschreibungen vorliegen, hatten Gebück. Warum also sollte es bei unserem Landwehr fehlen?
Und wie breit war nun die Wall-Graben-Anlage? In der beschriebenen Zeichnung komme ich auf eine Gesamtbreite von etwa 12,5 Metern, dies soll dann noch auf Flurstücken der Flörsheimer Gemarkung mit dem Namen „Landwehr“ überprüft werden.
4. Das Landwehr in der Zeit
Wir wissen, dass der Bau des Landwehrs im Jahre 1484 begonnen, in Fronarbeit durchgeführt und nach nur fünf Jahren Bauzeit im Jahre 1489 fertiggestellt wurde.
Über die Pflege und Erhaltung des Landwehrs in den folgenden Jahrzehnten, ja zwei Jahrhunderten ist meines Wissens (noch) nichts bekannt. Denn für die Pflege des Grabens, des Walls und des darauf angelegten Gebücks mussten Leute abgestellt werden. Auch hier wissen wir (noch) nicht, ob die Pflege- und Unterhaltungsarbeiten in Fronarbeit von den kurfürstlichen Untertanen in den betroffenen Gemeinden oder von dafür abgestellten Wall-Knechten, die der Mainzer Obrigkeit direkt unterstellt waren, ausgeführt werden mussten.
Später werde ich in diesem Bericht dem „Bechtheimer Gebück“ einigen Raum geben. Vorab aber aus der Broschüre „Das Bechtheimer Gebück an der Landesgrenze von Nassau-Idstein, Nassauische Annalen 117, 2006, von Rudolf Peter Wuschek und Christoph Carl Jan Schade“:
„Beispielgebend und richtungweisend für die Anlegung von Gebücken dürften auch Verordnungen gewesen sein, wie sie zusammengefaßt sind im ‚Weisthum der Gesetze, Ordnungen und Vorschriften, welche in die Nassau-Teutsche Länder Ottoischer Linie von ältesten Zeiten bis hierhin ergangen sind‘. Zweyter Theil, Hadamar 1802, S. 308. Dort heißt es für das Gebiet von Nassau-Dillenburg und Nassau-Siegen: geschehen erstmals Montag nach Petri 1498 unter dem Stichwort ‚Landwehre‘: Heegen und Gräben an Grenzen jährlich zu besichtigen. Bis eine Rute weit davon ab soll nicht angerotet noch befruchtet werden. Hat jemand ein an herrschaftliches Hochgewäld oder an die Landwehr stosendes Eigentum, welches er befruchten will, so soll er es der Herrschaft anzeigen und wegen des Einrotens mit derselben sich vergleichen. Die Landhegen sollen die Schultheisen zu rechter Zeit flechten und Gräben davor aufwerfen lassen. Bei neuem Mondschein soll die Landwehre von den Untertanen wieder aufgerichtet, da, wo sich Schluften befinden, Graben aufgeworfen und mit jungem Holze besetzt werden. Die Grenze soll jährlich beritten, darüber Gangbuch gehalten werden.
Spätere Grenzbeschreibungen des Idsteinischen Gebücks bzw. der Idsteinischen Landwehr verdeutlichen immer wieder, daß diese Grenzanlage auf Initiative der Herrschaft Idstein zustande kam. Für die ständige Pflege und Unterhaltung des Gebücks waren die anrainenden Gemeinden Beuerbach, Bechtheim und Ketternschwalbach innerhalb ihrer Gemarkungsgrenzen zuständig. Im Zuge von alljährlichen Kontrollbegehungen des Gebücks durch landesherrliche Ausschüsse, bestehend aus Amtmännern und Landreitern, die gemeinsam mit Schultheißen und Gerichten die Kontrollen vornahmen, wurde jeder Mangel in einem Gangbuch protokolliert. Die Gemeinden wurden dazu angehalten, alle Mängel unverzüglich, bei Vermeidung herrschaftlicher Strafen, beseitigen zu lassen. Haingerichte wachten streng darüber, daß jeder Frevel an der Gebückhecke mit einer herrschaftlichen Rügenstrafe belegt wurde.“
Ich kann mir gut vorstellen, dass es ähnliche Vorschriften auch für das Kasteler Landwehr gegeben hat und dass auch die Flörsheimer und Hochheimer kurmainzischen Untertanen in ähnlicher Weise das Gebück zu kontrollieren und zu pflegen hatten; ganz sicher wurde das Landwehr jährlich begangen und darüber ein Gangbuch gehalten.
Danach habe ich nicht gesucht. Aber wir haben Dokumente, die den Streit über die Benutzung des geschleiften, weil nutzlosen Landwehrs zwischen den Gemeinden Flörsheim und Weilbach zum Inhalt haben; dieser Streit wurde einige Jahre lang geführt und im Jahr 1757 abgeschlossen, denn am 9. September jenes Jahres wurde der Gemeinde Flörsheim die Nutzung des geschleiften Landwehrs ohne Einschränkung erlaubt. Lesen Sie über den Streit in meinem Bericht „Streit Flörsheim – Weilbach“ hier auf meiner Homepage.
Das Landwehr war also spätestens Mitte des 18. Jahrhunderts geschleift! Das heißt, der Graben war eingeebnet, der Wall abgetragen, wobei man sich vorstellen kann, dass die Erdmassen des Walls in den Graben zurückbefördert worden waren. Seitdem sind mehr als 250 Jahre vergangen, kein Wunder also, dass durch den Menschen, den Bauern, der eine ebene Fläche zur Bearbeitung seines Ackers braucht, und durch die Natur mit Wasser und Wind die Spuren des Landwehrs nahezu verschwunden sind.
5. Das Landwehr als Bauwerk des Berthold von Henneberg
Wenn ich davon ausgehe, dass das Kasteler Landwehr anderen Landwehren ähnlich und mit Graben, Wall und Gebück ausgestattet war, dann sehe ich als ein nicht zu unterschätzendes Indiz dafür das noch gut erhaltene Landwehr in der Hochrhön (bei Oberelsbach), das vom Vater des Berthold von Henneberg, Graf I. Georg von Henneberg, im Jahre 1424 errichtet wurde, übrigens als ein einziger Graben mit zwei rechts und links davon liegenden Wällen. Der junge Berthold, geboren 1441 oder 1442, hat sie sicher gesehen und ihre Wirksamkeit erfahren.
Wenn er also selber dann im Jahre 1484, im Alter von knapp über 40 Jahren und bereits Fürstbischof in Mainz, das Kasteler Landwehr vom kurfürstlichen Baumeister Henne Mor als Grenzbefestigung in Fronarbeit bauen ließ, dann hat der Sohn mit diesem Bauwerk sicher noch seinen Vater übertreffen wollen. Beweis hierfür sind die steinernen Warten, da es in der Rhön doch nur einfache, höchstens mit Schranken gesicherte Übergänge über die Gräben gab.
Die beiden Fotos zeigen den „Höhl“ (das Landwehr) in der Rhön bei Oberelsbach. Hier bekommt man noch heute eine Vorstellung davon, wie breit und wie tief Gräben und Wall der Höhl gewesen sein mochten. Die gesamte Graben-Wall-Anlage war etwa 17,50 – 22,50 m breit.
Die wenigen Übergänge in den Landwehren waren für Fuhrwerke, also für den Reise- und Warenverkehr, eingerichtet und bewacht, hier wurden die ins gesicherte Gebiet Einreisenden und ihre Waren kontrolliert, hier war Wegezoll zu entrichten. Einfache Hütten neben den Schranken, die hier ganz sicher vorhanden waren und die man sich als eiserne Schlagbäume vorstellen muss, hätten hier wie anderswo genügt, doch es kann vermutet werden, dass Berthold von Henneberg mit dem Bau der Warten weithin sichtbare, bauliche Zeichen setzen ließ, um seine Macht und sein Ansehen jedem Näherkommenden deutlich zu machen.
Wenn also trutzige Warten gebaut wurden, um an diesen Stellen den Durchgang ins kurfürstliche Gebiet zu erzwingen, dann musste das die Warten umgebende Landwehr eine für Fuhrwerke unüberwindliche und für wandernde Eindringlinge nahezu undurchdringliche Befestigung bilden. Und das konnte nicht allein durch Wall und Graben, sondern nur durch die Anlage von Gebück erreicht werden.
Dass Berthold von Henneberg unser Landwehr mit der Anlage von Gebück bauen ließ, dafür gibt es noch einen Hinweis. In einem vorzüglich recherchierten Buch „Rheingau, Taunus und Gebück“ von Christian Grubert ist auf Seite 53 zu lesen: „Zu einem bedeutenden Ausbau der Gebückanlagen kam es Ende des 15. Jh. unter Erzbischof Berthold von Henneberg. … Außerdem lag er im Streit mit Kurfürst Philipp von der Pfalz. Seit 1491 war die Lage so gespannt, daß 1494 ein bewaffneter Konflikt drohte. Vermutlich war das der Grund für die Verstärkung des Gebücks, denn die meisten Bollwerke wurden in dieser Zeit errichtet.“
Wenn sich auch dieser Hinweis auf das „Rheingauer Gebück“ bezieht, dann lässt er aber durchaus den Schluss zu, dass Berthold von Henneberg die Vorzüge eines Gebücks zu schätzen wusste. Warum also sollte er gerade bei unserem Landwehr darauf verzichtet haben? (Mehr über das Rheingauer Gebück hier im Bericht.)
6. Das Gebück
Was ist das überhaupt, ein Gebück? Hierzu ein Zitat, entnommen aus dem Internet unter http://www.ahlering.de/_Dreilandereck:
„Die ‚Gebücke‘ waren Hecken, die dadurch hergestellt wurden, dass man die betreffenden Strecken mit Bäumen bepflanzte, diese in der gewünschten Höhe kappte, die Seitenzweige und jungen Triebe herunterbog, untereinander verflocht, in die Erde einsenkte und neu ausschlagen ließ. Schließlich wurden noch die bleibenden Zwischenräume mit Dornen-, Brombeer- und anderen Sträuchern bepflanzt, sodass eine undurchdringliche, lebende Mauer von oft recht ansehnlicher Breite entstand. Das Herabziehen und Verflechten der Zweige nannte man ,bücken‘.
Über das Aussehen der Landfestung liegen zwei kurze Angaben vor. Die ältere wird von Norbert Scheele 1948 in dem Werk ‚Geschichte des Kirchspiels Kleusheim‘ erwähnt und stammt aus dem Jahre 1768:
Die ,Landhecke bestehet in starken, alten, gebückten Bäumen, und langs derselben geht überall ein breiter Graben her‘. Die andere aus dem Jahre 1815 ist in einem Bericht des Landrats von Schenk an die Regierung in Ehrenbreitstein enthalten: ,Die Defensions Linien um einen Theil der Gränze des hiesigen Fürstentums, die sogenannte Landhecke, anderwärts auch Pfahlgraben oder Gebück so genannt ist bekannt.‘ Die belegten Namen der Wehranlage sind: Landwehr, Landwehrung, Landgewehr, ferner Landfestung, Landhecke, Landhege, Hecke, Hege.
Die mächtige Hecke wurde regelmäßig beschnitten. Wenn die Hecken undurchdringlich bleiben sollten, mussten die Bäume von Zeit zu Zeit gekappt und neue Zweige mit den alten verflochten werden. Das Gebück bestand aus Mischwald, insbesondere aus Hainbuchen und Eichen. Vor allem aber Buchen werden genannt. Dornen und Brombeeren waren auch überall verwoben. Über die Höhe der Landwehren schreibt Wilhelm Engels in ,Die Landwehren in den Randgebieten des Herzogtums Berg‘ (Zeitschrift des Bergischen Geschichtsvereins, 66. Band 1938): ,In der Regel wurde die Hecke auf Mannshöhe gehalten .. . An der dicken Buche bei Krombach kann man ablesen, dass unser Gebück im Siegerland und mithin auch bei Hilchenbach kaum höher als zwei Meter gewesen ist.
Die dicke Buche bei Krombach ist der einzige Baum, der noch von der alten Landwehr erhalten ist und steht naturgemäß seit langem unter Naturschutz.
Landwehre als Grenzbefestigungen, waren im Mittelalter durchaus gebräuchlich. Sie sollten Überfälle von Feinden und Raubgesindel verhindern. War ein solcher doch geglückt, so boten sie die Möglichkeit, den Dieben die Beute an den engen Durchgängen wieder abzunehmen.
Eine Landwehr bestand aus Wall, Graben und Hecke. Die Gräben lagen vor oder hinter dem Wall, zuweilen auch auf beiden Seiten. Im Siegerland findet man sie meist vor den Wällen, hinter ihnen findet man sie nur auf kurzen Strecken und auf beiden Seiten fast gar nicht. Eine Landwehr konnte einen oder mehrere Wälle haben, die in kurzen Abständen hintereinanderlagen. Mehrere Hecken konnten auf den Wällen hintereinanderliegen. Die Gänge zwischen den Hecken machten die Pflege möglich.“
Das hier Geschriebene wird in gleicher Weise für das Kasteler Landwehr Geltung gehabt haben. Ich sehe mich durch das angeführte Zitat in meinen Überlegungen zum Gebück auf unserer Wall-Graben-Anlage bestätigt. Hinzu kommt, dass ein sich durch die Landschaft ziehender, weithin sichtbarer Pflanzenwall die Grenze zu einem wehrhaften Land eindrucksvoll darstellen konnte.
Noch etwas zur Hainbuche im Gebück: Die Hainbuche, auch Weißbuche oder Hagebuche genannt, ist ein mittelgroßer laubabwerfender Baum mit hohem Stockausschlagvermögen. Daher wurde sie in den Landwehren bevorzugt angepflanzt; groß genug, wurde sie mir Äxten angehauen und umgeknickt, also gebückt.
7. Der Graben
Warum war der Graben auf der zu schützenden Seite, also vor Wall und Gebück angelegt, warum nicht dahinter?
Denn da das Gebück nicht nur angelegt, über Jahre hinweg „gebückt“ und danach alljährlich gepflegt werden musste, könnte man meinen, es wäre besser gewesen, den Graben hinter und nicht vor dem Gebück anzulegen. So musste er doch jedes Mal, wenn das Gebück zu bearbeiten war, überwunden werden. Da jedoch eine solche Anlage wie das Landwehr nicht für Jahrzehnte, sondern für Jahrhunderte angelegt war, konnte man nach einigen Jahren das Gebück sich selbst überlassen; der Graben jedoch, der sich auch mit Wasser füllen, dessen Böschungen nachrutschen oder dessen Sohle durch Holz oder Steine beschädigt werden konnte, hatte auf lange Sicht gesehen mehr Aufmerksamkeit und Arbeit verdient.
Auch kann der Schutz des eigenen Herrschaftsgebiets durch einen innenliegenden Graben eher gewährleistet werden. Denn wer das Landwehr „von außen“ überwinden wollte, hatte den Wall mit Gebück vor sich, doch er wusste, dass dahinter noch ein Graben lag, den es dann auch noch zu überwinden galt. Nach der Durchdringung des Gebücks, die nicht einfach war und mit Werkzeugen bewerkstelligt werden musste, lag vor dem Störenfried noch eine steil nach unten führende Böschung in einsehbarem Gelände, ein oft mit Regen- oder Oberflächenwasser gefüllter Graben, dahinter eine zu erklimmende zweite Böschung: hier am und im Graben konnte der Eindringling leicht entdeckt und ergriffen werden. Die Arbeit mit Werkzeugen, mit Äxten und Hacken am Gebück war auch von Geräuschen begleitet, die gerade zur Nachtzeit über weite Strecken zu hören gewesen sein müssen, da über dem ganzen Land eine Stille lag, deren Eindringlichkeit jenseits der Vorstellungskraft von uns Heutigen gelegen haben mag.
Wäre der Graben hinter dem Wall-Gebück gelegen, hätte er schon überwunden werden können, noch bevor ein Verteidiger es sehen oder hören konnte. Dann hätte das Gebück den Eindringling mehr geschützt als den Wächter. Darum ist schwer vorstellbar, dass der Graben an das fremde Territorium grenzte, er wurde auf der eigenen Seite ausgehoben.
Es kann im Übrigen davon ausgegangen werden, dass es sich bei den Eindringlingen, die es sicher gab, nahezu immer um EinzeIpersonen – Schmuggler, Heudiebe, Flüchtlinge – oder um kleine Personengruppen aus diesem Milieu ohne Pferd und Wagen handelte, denn für Fuhrwerke war der Graben unüberwindbar, und hinter dem Graben gab es keine Fahrwege, aber ganz sicher ein Weg oder Pfad, auf dem Kontrollgänge oder -ritte gemacht werden konnten.
8. Der Wall
Das Kasteler Landwehr war nach meinen Vorstellungen eine Graben-Wall-Anlage, bei der das Gebück auf dem Wall gezogen wurde. Dort musste das Gebück zuerst einmal hergestellt werden, das heißt, Bäume mussten gepflanzt und einige Jahre „gezogen“, also gebogen und ineinander verschränkt werden. Das bedeutet, dass für einige Jahre, wenn nicht Jahrzehnte, die Bäume und Büsche zugänglich sein mussten, wenn möglich von beiden Seiten. Daher durfte die Wallkrone nicht allzu schmal sein, da sie ja zur Pflege des Gebücks begangen werden musste.
Um die steilen Böschungen des Grabens nicht zu beschädigen, mögen die Gebück-Knechte irgendwo einfache Leitern versteckt gehabt haben, um in den Graben und auf der anderen Seite zum Wall hinauf zu steigen.
9. Die Suche nach Hinweisen
Woher kann Sicherheit über die vorgenannten Überlegungen gewonnen werden?
a. Aus Akten.
b. Aus alten oder zeitgemäßen Kartenblättern.
c. Aus der Landschaft.
d. Aus Beschreibungen anderer Landwehren.
10. Die Hinweise
10a. Aus Akten
Die Auseinandersetzungen zwischen den Gemeinden Flörsheim und Weilbach über das Eigentum am Landwehr und dessen Nutzung wurden ganz sicher nicht über einen nur zwei oder drei Meter breiten Streifen Landes geführt, dagegen sprechen die Heftigkeit und die Dauer der Streitigkeiten.
Im Hessischen Hauptstaatsarchiv in Wiesbaden konnte ich Schriftstücke finden, die die Auseinandersetzung zwischen Flörsheim und Weilbach dokumentieren. Angaben über die Breite der Wall-Graben-Anlage habe ich dort nicht gefunden. Aber gefunden habe ich ein Dokument von großem Interesse für uns Flörsheimer: Im Jahre 1757 bat der Schöffe Adam Filsinger für seine Gemeinde Flörsheim um die Erlaubnis, das bereits geschleifte Landwehr nutzen zu dürfen, und er erhielte sie. Dieser Schöffe (Johann) Adam Filsinger (später Filzinger, auch Filtzinger geschrieben) wurde einige Jahre später Unterschultheiß in Flörsheim; er starb dort im Februar des Jahres 1769 nach einer Auseinandersetzung mit zwei Flörsheimern, dem Paul Müller und dessen Sohn Martin.
Um wie viel Land es bei der Auseinandersetzung zwischen Flörsheim und Weilbach ging, mag folgende Rechnung belegen: Nimmt man für Wall und Graben einen Streifen von alles in allem 15 Meter Breite an, dann lässt sich die Gesamtfläche des bestrittenen Landes bei einer Länge der Gemarkungsgrenze von etwa 2 Kilometern mit 30.000 Quadratmetern, also insgesamt 3 Hektar beziffern. Da lohnte sich schon ein Streit!
Nicht gestritten haben sich die Flörsheimer mit den Wickerern. Aus einem Dokument geht hervor, dass es im Jahre 1669 eine Grenzbegehung von hochrangigen Bürgern aus Wicker und Flörsheim gegeben hat. Es werden die Anzahl der Grenzsteine genannt und auch die Orte, wo sie zu finden sind.
10b. Aus Kartenblättern
Aus dem im Internet verfügbaren Kartenwerk „Das Hessische Liegenschaftskataster“ können die Flurnamen der in der Gemarkung liegenden Grundstücke entnommen werden, auch deren Längen und Breiten können dort ausgemessen werden. Nach den Flurnamen ergibt sich zweifelsfrei, dass das Landwehr den Gemarkungsgrenzen Flörsheims zu Wicker und Weilbach gefolgt ist. Die Breite der dort eingezeichneten Grundstücke mit der Bezeichnung „Landwehrgraben“ und dem parallel dazu laufenden „Landwehrweg“ können ausgemessen werden. Ein nebenher laufender „Landwehrweg“ kann zu der Breite des Landwehrs nicht hinzu gerechnet werden, denn wie bereits gesagt, musste die Landwehr-Anlage von Reitern oder Streifengängern kontrolliert werden. Ein schmaler Pfad neben dem Graben ist vermutlich erst später zu einem befahrbaren Weg geworden, zu einer Zeit, da das eigentliche Landwehr seine Bedeutung schon längst verloren hatte.
Hier ein Beispiel:
Der Kartenausschnitt zeigt den Weg des Landwehrs entlang der Wickerer Wiesen. In der Nähe der Wegkreuzung in der Mitte des unteren Drittels der Karte befindet sich die derzeitige Rekonstruktion des Landwehrs, nach rechts dem sanft ansteigenden Weg zur Warte folgend.
Eine gute Möglichkeit, den Verlauf des ehemaligen Landwehrs zu verfolgen, sind die Lagebezeichnungen der Flurstücke entlang der Flörsheimer, der Wickerer, der Weilbacher und der Hochheimer Gemarkungen, ermittelt aus dem Hessischen Liegenschaftskataster. Ich habe eine Reihe von Kartenauszügen und zugehörige Fotos ausgewertet, aus denen hervorgeht, wie das Landwehr im Norden und Osten Flörsheims verlaufen ist, den Gemarkungsgrenzen zu Wicker und Weilbach im Wesentlichen folgend. Auch im Südosten verbleibt das Landwehr auf Flörsheimer Gemarkung, dort die sumpfige Niederung im Bereich des Ardelgrabens vermeidend.
Gerade die Namen Landwehr, Stoßen auf die Landwehr etc. lassen den Weg, den das Landwehr durch unsere Heimat nahm, gut verfolgen. Dabei habe ich auch einige Entdeckungen gemacht, die unter „Nebenbei entdeckt“ noch beschrieben werden.
10c. Aus der Landschaft
Noch immer gibt es in der Flörsheimer Gemarkung einige zu erkennende Überreste des Landwehrs. Die Strukturen dort müssten allerdings unvoreingenommen daraufhin überprüft werden, dass man dort eine sehr breite Graben-Wall-Anlage zu suchen bereit ist und nicht einen schmalen Streifen Landes.
Die dem Kartenmaterial beigefügten Fotos aus großer Höhe lassen an manchen Stellen noch sehr gut den Verlauf des Landwehrs erkennen. Aber auch in der Nähe der Warte und auf der Strecke, die der Landwehrweg hinunter zur Wiesenmühle beschreibt, kann die ursprüngliche Ausdehnung dieses Bauwerks zumindest erahnt werden.
10d. Aus Beschreibungen
Gerade die Beschreibungen anderer Landwehren, von denen ich einige in den Text eingefügt habe, können zur Beurteilung der Gestalt des Kasteler Landwehrs hinzugezogen werden. Eine Übertragung der dort festgehaltenen Erkenntnisse, Überlieferungen und Beschreibungen von Bauwerken und Naturdenkmalen auf unser Landwehr ist zwar nicht in allen Fällen möglich, jedoch können Gemeinsamkeiten festgestellt und zur Absicherung der hier gewonnenen Erkenntnisse hinzugezogen werden.
11. Nebenbei entdeckt
11a. Die Schanzen
Es kann vermutet werden, dass auch unser Landwehr durch die Anlage von Schanzen zusätzlich geschützt wurde. Hier zuerst wieder eine Beschreibung, ebenfalls aus der bereits zitierten Information unter „Dreiländereck“:
„Viele Landwehre wurden durch ,Schanzen‘ verstärkt. Zur Aufnahme der Verteidiger errichtete man Lager. Die meisten Lager ähneln Quadraten oder Rechtecken. Zudem gab es unregelmäßige Vier-, Fünf- oder Sechsecke, was aber durch das Gelände so bedingt war. An zwei Lagern gab es Quellen. Weil die Lager dicht an den Schlägen angelegt worden waren, beherrschten sie die Zufahrtswege, an denen sie meist mit der Längsseite lagen. Daher vermochte kein Feind die Durchgänge mit Erfolg anzugreifen, ehe nicht die Lager gestürmt worden waren. Auch die Schanzen liegen vor der Landwehr, fast alle sind an dieselbe an- oder gar in sie hineingebaut worden . … Die Schanzen sind nicht nur bei Schlägen, sondern auch an anderen gefährdeten Stellen angelegt worden.“
Wenn man nun die Flurnamen in der Nähe des Ahlerpfads liest fällt auf, dass unterhalb der dort liegenden „Bieberbornsgewann“ ein Flurstück liegt, das ebenfalls „Landwehr“ genannt wird. Es liegt jedoch komplett in der Flörsheimer Gemarkung, nicht an der Gemarkungsgrenze, und lässt damit den Schluss zu, dass es zwar dem Landwehr zugeordnet werden kann, aber nicht die Grenze bildete. Hier könnte eine Schanze angelegt worden sein, denn hier im Nordosten von Flörsheim war eine „gefährdete Stelle“, die weitab der Warte lag und an der ein Angriff oder zumindest ein Durchdringen des Landwehrs befürchtet werden konnte. „Bieberborn“ deutet übrigens auf eine Quelle hin, denn das Vorhandensein von Trinkwasser hat bei der Anlage einer Schanze eine wichtige Rolle gespielt.
Auch am äußeren Ende der Flörsheimer Gemarkung gegen Hochheim hin finden wir in der Hochheimer Gemarkung eine Flurbezeichnung mit dem Namen „Schanzengraben“. Auch dort kann eine gefährdete Stelle angenommen werden, die durch die Anlage einer Schanze gesichert wurde.
11b. Der Höllweg und der Hohlweg
Auf jeden Fall mussten die Grenzbefestigungen, gleich ob das Landwehr oder dessen Schanzen, von Flörsheim aus zu Fuß oder zu Pferd schnell erreicht werden können. Deshalb ist zu vermuten, dass Wege dorthin führten.
Der Weg zu der angenommenen Schanze im Nordwesten, auf jeden Fall aber zu der hier weitab vom der Bebauung liegenden Grenze ist der Höllweg, der sich unterwegs teilt in einen unteren und einen oberen Höllweg. Der obere ist bis in die obere rechte Ecke des Landwehrs geführt.
In der Rhön, der Heimat des Berthold von Henneberg, heißt das Landwehr „Höhl“, Ich nehme also an, dass der Höllweg einstmals „Höhlweg“ hieß, da er die kürzeste Verbindung zur „Höhl“ darstellte.
Auch der vom Kreuzweg zur Warte führende „Hohlweg“, der ja ein großes Stück weit über flaches Land führt, könnte demnach seinen Namen ebenfalls vom Höhlweg erhalten haben.
Interessant in diesem Zusammenhang auch ein vom „Gänskippelschorsch“ in der Broschüre „Wonn nor de Klowe hält!“ aufgezeichnetes Flerschemer Lied. Dort heißt es: ,,Do giehste in die Wickere Huhl un mechst Kardoffel aus.“
Und wo ist diese Wickerer Huhl? Zur Straße von Flörsheim aus den „Wickerer Berg“ hoch sagen die Wickerer „die Wickerer Hull“! Links und rechts davon können die vom Schorsch beschriebenen Kartoffeläcker gelegen haben, in der Nähe des Landwehrs, das wie bereits gesagt auch „Höhl“ genannt worden sein könnte, ein Wort, das so weit von „Hull“ oder „Huhl“ nicht entfernt sein dürfte.
11c. Die Grenzsteine
Ganz interessant ist auch, dass von der gemeinsamen Grenze zwischen den Gemeinden Hochheim und Wicker keine Streitigkeiten über das Landwehr bekannt sind. Dort hat man sich vielleicht schon frühzeitig über eine Nutzung der Flächen je zur Hälfte geeinigt. Diese Einigung wurde im Jahre 1849 besiegelt.
Hierzu schreibt Werner Ostheimer in den Hochheimer Heften, Heft 15: „… wurde auf Anordnung der Herzoglichen Regierung im März 1849 in den Gemeinden Hochheim und Flörsheim folgendes bekanntgemacht: ,Der Landgraben von der Wiesenmühle bis an die Kostheimer Grenze ist zwischen den Gemeinden Hochheim, Wicker, Massenheim und Delkenheim in der Art geteilt worden, daß der hiesigen Stadtgemeinde der westliche Teil gehört. Derselbe ist nur zum Teil schon urbar gemacht und wird vollends angebaut werden, daher das Begehen desselben unter Androhung der Feldpolizeistrafe hierdurch untersagt wird.
Hochheim, den 16. März 1849 Diener, Bürgermeister
Bekanntgemacht
Flörsheim, den 28. März 1849 Schleidt, Bürgermeister“
Und einige Zeilen weiter unten heißt es: „Daraufhin wurden in den Jahren 1850 – 1856 die Gemarkungsgrenzen neu vermessen und mit behauenen Sandsteinen neu vermarkt.“
Im Landwehrgraben zwischen Hochheim und Wicker, von der Wiesenmühle aus in nordwestlicher Richtung, kann man noch heute die damals gesetzten Grenzsteine finden, sie markieren den Verlauf der Gemarkungsgrenzen. Sie tragen auf der einen Seite ein „GW‘ für „Gemarkung Wicker“ und die Jahreszahl „1856″ und auf der anderen Seite das Hochheimer Wappen, erkennbar, aber nicht ganz korrekt in den Stein gemeißelt.
Über die Warten im Landwehr habe ich mit „Hennebergs Warten“ einen gesonderten Bericht auf meine Homepage gestellt. Doch hier schon mal die alte Flörsheimer Warte auf einem Christian-Georg-Schütz-Gemälde von 1802:
Unten links ist zu lesen: Die Warth bei Flörsheim gezeichnet…Schütz…1802
Und hier auf dem Foto der 1996 erfolgte Nachbau der Flörsheimer Warte.
12. Das Rheingauer Gebück
An der „Mapper Schanze“ kann man dieses Schild finden:
Auch eine Informationstafel ist dort aufgestellt:
Auf der Tafel sind das Rheingauer Gebück und die Mapper Schanze dargestellt und erklärt.
Da der Text auf der Tafel auf meinem Foto schlecht zu lesen ist, habe ich ihn kursiv angefügt. Aber zuerst einmal der Verlauf des Rheingauer Gebücks von Lorch bis Niederwalluf.
Auf der Tafel ist zu lesen:
„Das Rheingauer Gebück
Im Mittelalter verstand man unter dem Rheingau nicht eine Landschaft, so wie wir ihn heute sehen, sondern einen relativ eigenständigen kleinen Staat, dessen oberster Herrscher der Erzbischof von Mainz war und dessen Bewohner zahlreiche Freiheiten und Privilegien genossen, unter anderem gab es im Rheingau keine Leibeigenschaft. Dadurch und durch den Wein- und Obstbau kamen das Land und seine Bewohner zu Wohlstand.
Oberster Vertreter des Erzbischofs war der sogenannte „Viztum“. Die Inhaber dieses Amtes stammten meistens aus einer Ritterfamilie. Ihnen unterstand unter anderem die Aufsicht über die Landesverteidigung und über die Rheingauer Truppen, denn die Zeiten waren oft unsicher und gefährlich.
Fremde Heere, Raubritter und vagabundierende Banden bedrohten im Mittelalter immer wieder das Land, plünderten die Bevölkerung aus und verschleppten Seuchen von einem Landstrich in den anderen. Viele Länder und Städte versuchten daher, ihre Grenzen durch Befestigungswerke und sogenannte „Landwehren“ zu schützen. So auch der Rheingau.
Vermutlich im 13. Jahrhundert wurde damit begonnen, die Landesgrenze systematisch zu befestigen. Man pflanzte Bäume, knickte sie, wenn sie eine gewisse Höhe erreicht hatten, ab und flocht die Zweige ineinander. So entstand eine fast undurchdringliche, bis zu 50 m breite lebende Hecke, die auf weiten Strecken den Rheingau umgab und ca. 40 km lang war – das Rheingauer Gebück.
Zur besseren Hege der Hecke war sie in bestimmte Abschnitte eingeteilt. Jeder Rheingauer Gemeinde fiel ein Abschnitt zu, der von ihr ständig kontrolliert und in Stand gehalten werden mußte. Beschädigungen an der Hecke waren mit hohen Strafen belegt.
Dort, wo wichtige Straßen aus dem Rheingau in die umliegenden Länder führten, mußte die Landwehr unterbrochen werden, um dem fließenden Verkehr den Durchgang zu ermöglichen. Gerade für ein Land wie den Rheingau, in dem der Weinanbau und dessen Export eine so enorme Rolle spielten, war das ungestörte Funktionieren der Wirtschaft von lebenswichtiger Bedeutung. Auch eine staatliche Kontrolle des Handels sollte möglich sein, um z. B. Zölle und Steuern festsetzen zu können.
Zu diesem Zweck waren die wichtigsten Straßendurchgänge im Gebück mit kleinen Festungen – den sogenannten Bollwerken – gesichert. Sie entstanden etwa ab dem Ende des 15. Jahrhunderts. Ihre Hauptaufgabe bestand in der Kontrolle von Diebs- und Räuberbanden. Zudem übernahmen sie im Falle eines Angriffs eine wichtige Rolle in der Landesverteidigung.
In den Bollwerken waren Wächter stationiert, die im Kriegsfall von den Rheingauer Truppen verstärkt wurden. In Friedenszeiten hatten die Wächter als „Wald-Schützen“ unter anderem auch die Aufsicht über die Rheingauer Waldungen inne.
Erst im 18. Jahrhundert verlor das Gebück an Bedeutung und wurde 1771 nach einem erzbischöflichen Befehl „offiziell“ aufgegeben. Viele Gebückbäume wurden abgehauen und verbrannt. Die Bollwerke dienten teilweise noch als Forsthäuser und zuletzt als Steinbrüche für die umliegenden Gemeinden.
Heute sind deshalb nur noch ganz vereinzelte Reste dieser zu den größten und stärksten Landwehren des Mittelalters zählenden Anlagen zu sehen.“
Ein weiteres Bollwerk im Rheingauer Gebück war der „Backofen“ zu Niederwalluf. Hermann Bär, der Chronist des Kloster Eberbach, schreibt 1799 in seinen ‚Diplomatischen Nachrichten‘: „Die erste und Stärkste dieser Festungen (des Gebücks) war vor Niederwalluf an der Landstraße errichtet, um diesen Hauptpaß des Rheingaus zu decken. Sie bestand in einem großen, mit massiven Mauern aufgeführten und gethürmten Bollwerke, daß in der gemeinen Sprache der Backofen hieß. Diesen Namen erhielt es ohne Zweifel von seiner innern Einrichtung, Kraft welch gewölbtes Behältnis einer zahlreichen Besatzung zulänglichen Raum verschaffte. Seine beiden Flanken waren mit hohen Wällen und dem tiefen Landgraben geschützt. Dadurch ward es auf einer Seite mit dem nahen Rheine, und auf der anderen Seite mit dem Gebück verbunden.“
Im Wiesbadener Tagblatt vom 11. Februar 1895 schrieb Th. Schüler:
„1506 lag eine Beschwerde des Grafen Adolf von Nassau-Wiesbaden bei dem Kaiser Maximilian darüber vor, daß sich Kurmainz unterstanden hatte, zur Absperrung des Rheingaues ein großes steinernes Bollwerk, einem Schloß gemäß, bei Walluf auf Lindauischem Grund und Boden aufzuführen. Der Bau des Backofens (wie das Bollwerk genannt wurde) an dieser Stelle verdankt seine Entstehung sicherlich auch dem Umstand, daß die Rheingauer Landstraße, der wichtigste Zugang zum Rheingau, hier direkt unter einer kleinen Anhöhe vorbeiführte.“
Am Wolfsrück zwischen Kiedrich und Hausen v.d.H. sind noch viele Gebückbäume zu sehen, hier eine Auswahl:
13. Die Fernwege der Römer
Hier möchte ich noch über die Fernwege der Römer berichten und zwar anhand von Nachbauten.
Da ist zuerst einmal Diedenbergen zu nennen. Dort wurde im Jahre 2008 in einem Straßenkreisel am westlichen Ortsausgang ein Stück alter Römerstraße vom dortigen Heimatgeschichtsverein nachgebaut und zwar mit Steinen aus der Weilbacher Kiesgrube. Den Grund dafür fanden die Heimatforscher darin, dass der Kreisel genau auf der „Steinern Straße“, der „Elisabethenstraße“ liegt, eine von den Römern ausgebaute, 30 Kilometer lange Straße zwischen den römischen Stützpunkten Mainz und Nida im heutigen Frankfurter Stadtteil Heddernheim. Der Ausbau im Kreisel ist drei Meter breit und zwölf Meter lang und soll zeigen, wie eine „Römerstraße“ ausgesehen haben mag.
Mehr sieht man in Bulau, einem Stadtteil von Rödermark. Dort wurde ein Stück der antiken Römerstraße „Hohe Straße“ nach Dieburg rekonstruiert.
Ausschnitt: Bau einer Römerstraße
Hierzu heißt es: „Für die Beherrschung und Verwaltung des riesigen Imperium Romanum war ein gutes Straßennetz unabdingbare Voraussetzung. In erster Linie für die schnelle Verlegung der Truppen angelegt, trug es erheblich zur wirtschaftlichen Entwicklung bei.
Diese Straßen waren außerordentlich solide konstruiert. Zunächst wurden die Trassen von Landvermessern (agrimensores) festgelegt, danach erfolgte der Aushub und der Aufbau in mehreren Schichten. Meilensteine gaben die Entfernungen zu den nächsten Orten an.
In seiner Blütezeit verfügte das römische Reich über ca. 100.000 Kilometer Staatsstraßen, die von Rom bis nach Britannien, Afrika und Asien führten. Viele moderne Hauptverkehrsrouten folgen heute noch den römischen Trassen.
Entlang der Hauptrouten befanden sich in regelmäßigen Abständen Raststätten (mansiones). Neben der Möglichkeit zur Verpflegung und Übernachtung standen hier auch Zugtiere zum Wechseln zur Verfügung.
Die Reisegeschwindigkeit des normalen Reisenden betrug ca. 7,5 km in der Stunde. eine staatliche Beförderungsanstalt, der cursus publicus, hielt Kuriere, Pferde, Wagen und Zugtiere für die kaiserliche Verwaltung bereit. Hierdurch war es kaiserlichen Kurieren möglich, innerhalb kürzester Zeit Nachrichten von den Provinzhauptstädten nach Rom zu übermitteln
Der Straßenabschnitt auf der Bulau gehörte zu einer Verkehrsverbindung, die Mainz, Legionsstandort und Hauptstadt der Provinz Obergermanien über Heddernheim und Dieburg bis an den Limes führte.“
Ein Hinweis Ein Besuch in Bulau lohnt sich nicht nur wegen der Römerstraße.
14. Das Bechtheimer Gebück
Hier ein Beispiel für die Aufarbeitung eines Gebücks:
Ich hatte folgendes im Wiesbadener Tagblatt vom 22.10.2007 gelesen:
„Kelterfest zur Einweihung des Gebücks
Hainbuchen werden in ein paar Jahren zusammengeflochten / Hütte, Bänke und Infotafeln
HÜNSTETTEN-BECHTHEIM Weit über tausend Arbeitsstunden haben die Mitglieder des Historischen Vereins Hünstetten (HVH) in den letzten drei Jahren investiert, um auf 60 Meter Breite das Idsteiner Gebück zu rekonstruieren, eine Hütte zu errichten und Info-Tafeln aufzustellen. Mit einem Kelterfest wurde am Sonntag der Abschluss der Arbeiten und die Einweihung des rekonstruierten Gebücks gefeiert.
Die HVH-Aktiven hatten am Tag zuvor noch bei herrlichstem Sonnenschein an der Nassauer Hütte mehrere Zelte aufgestellt und alle Vorbereitungen für ein schönes Fest getroffen. Petrus aber öffnete pünktlich am Sonntagmorgen sämtliche Schleusen und so kam eigentlich keiner der Besucher trockenen Hauptes und sauberen Fußes davon – erst recht dann nicht, wenn sie den kleinen Fußmarsch vom Festplatz an der Hütte bis zum Gebück selbst antraten, um zu sehen, wie sich die Hainbuchen seit der Anpflanzung entwickelt haben.
‚Es wird sicher noch drei oder vier Jahre dauern, bis die Hainbuchen mindestens 3,50 Meter hoch gewachsen sind und dann ‚gebückt` werden können‘, erklärte HVH-Vorsitzender Klaus Gutsche den Festbesuchern und Ehrengästen, unter ihnen die Landräte Albers (Rheingau-Taunus) und Michel (Limburg-Weilburg) sowie die Bürgermeister Petri (Hünstetten) und Besier (Hünfelden). Auf Anweisung des Landesamtes für Denkmalpflege werde das Verflechten der Bäume und Äste übrigens in einer ganz bestimmten Technik erfolgen, so wie sie auch im frühen 14. Jahrhundert angewandt worden sei, verriet Gutsche den erstaunten Besuchern.
‚Die meisten jungen Menschen wissen heute nichts mit dem Wort ‚Gebück‘ anzufangen“, freute sich Landrat Michel aus Limburg über die Bemühungen des Vereins, über die Geschichte der Vorfahren zu informieren und anschaulich darzustellen. Michel selbst kennt sich mit dem Thema Gebück übrigens bestens aus, schließlich war die ‚Schiede‘, also die Straße, an der das Landratsamt in Limburg zu finden ist, selbst einstmals ein Befestigungsring.
Michels Amtskollege Burkhard Albers nannte die mit großer Zähigkeit geleistete Arbeit des Historischen Vereins einen wichtigen Beitrag zur Stärkung des Geschichtsbewusstseins in der Bevölkerung. Dieser Ehrgeiz wird, so ist sich Hünstettens Bürgermeister Axel Petri sicher, über die Ortsgrenzen hinweg zu einer Zusammenarbeit mit anderen Geschichtsvereinen führen und gute Ergebnisse bringen.
Sieben Informationstafeln, vier davon in der Nassauer Hütte, sind jetzt entlang des Waldwegs zwischen Bechtheim und Ohren aufgestellt. Mehr sind, wie der zweite Vorsitzende des HVH, Rudolf Wuschek, bestätigte, hier nicht vorgesehen. Auch an die internationalen Gäste ist gedacht, denn sämtliche Informationen sind auch in englischer Sprache abgefasst.
Karten, Grafiken, Merian-Stiche und viele andere Abbildungen geben neben dem geschriebenen Wort einen sehr umfangreichen und genauen Einblick in die früheren Herrschaftsverhältnisse zwischen dem frühen 14. und dem 19. Jahrhundert. Exakt beschrieben werden auf den Tafeln die Bemühungen, das Herrschaftsgebiet vor Übergriffen und Raub abzusichern. Sehr ausführlich geschildert wird der Aufbau von Graben, Wall und Gebück – also dem rund 20 Kilometer langen und 30 Meter breiten so gut wie undurchdringlichen Geflecht aus Hainbuchen. Dort, wo sich die Nassauer Hütte befindet, verlief einst die wichtigste Handelsstraße zwischen Limburg und Mainz und hier befand sich auch der „Bechtheimer Schlag“, wo noch bis um das Jahr 1800 herum Zoll kassiert wurde. Belegt wird das auch durch Zollmarken, die auf einer der Tafeln abgebildet sind.“
Natürlich bin ich mit meiner Frau nach Bechtheim gefahren; wir haben uns mit Mitgliedern des Historischen Vereins getroffen, haben uns am Gebück umgesehen und ich habe einige der Tafeln mit der Geschichte des Gebücks fotografiert:
Auf der Tafel ist zu lesen:
„Am Bechtheimer Schlag
Schon in mittelalterlicher Zeit bis etwa um 1800 befand
sich hier an dieser Landesgrenze, an der durch die
Herrschaft Nassau-Idstein führenden ehemaligen
„Bubenheimer Strasse“ ein Schlagbaum mit einem
Zollstock. In den Jahren 1681 und 1755 wurde dieser im
Volksmund auch genannte „Zigeunerstock“, bestehend
aus einem massiven Eichenpfosten, welcher mit dem
nassau-idsteinischen Hoheitsschild aus Eisenblech
versehen war, erneuert. Sicherlich befand sich hierbei
in früheren Zeiten auch ein kleines Einhaus des
Zollerhebers.
Dieser einzige Durchlass der alten „Bubenheimer
Strasse“, welchen man mit undurchdringlichem Gebück
beiderseits gesichert hatte, war die wichtigste Strasse
der ehemals nassau-idsteinischen Region, die als direkte
Nord-Südverbindung von Limburg nach Mainz führte.
Handelsleute zu Fuss, mit Ochsenkarren oder
mehrspännigen Pferdefuhrwerken, die von Limburg
über Linter nach Wiesbaden zum Rhein zogen und
umgekehrt, mussten für ihre mitgeführten Waren
hier Landzoll entrichten. Neben diesen Einnahmen
erhob der Landesherr auch Geleitsgelder, wenn den
Fuhrleuten Begleitmannschaften zur Sicherung ihrer
Fahrwegstrecken innerhalb ihrer Landesherrschaft
bereitgestellt wurden.
Mit besonderen Kontrollen begegnete man
Wegelageren, Bettlern, ‚Zigeunern‘ und sonstigem
Gesindel. Auch den Pestkranken und Siechenden wurde
laut landesherrschaftlicher Verordnungen aufs Strengste
ihr Durchlass, geschweige ihre Aufnahme im Land
untersagt. Bei dreimal wiederholter Ergreifung solcher
meist armen Kreaturen wurde kurzer Prozess gemacht
und diese Menschen zur Abschreckung in unmittelbarer
Nähe, dem Galgen in der Kirberger Gemarkung direkt an
dieser Bubenheimer Strasse ausgeliefert. Der Flurname
„Galgenberg“ in etwa 1 km nördlicher Entfernung gibt
noch Zeugnis aus dieser Zeit.
Seit Ausgang des 17. Jahrhunderts wurde der einstige
starke Verkehr hier immer rückgängiger. Eine neue
Streckenführung, die sich weiter westlich orientierte und
nun direkt über Kirberg zum Ketternschwalbacher Pass
führte, gab hierzu den Ausschlag. Mit der Chaussierung
der neuen Strecke dauerte es noch bis zum Jahre
1789. Als letzter Zollerheber ist 1805 der Ohrener
Einwohner Johann Philipp Weyershäuser genannt. Die
in neuerer Zeit erhobenen Chausseegelder dienten
zur Unterhaltung und dem Ausbau der Strassen und
Wegstrecken.“
15. Das Bachgauer Landwehr
Auch dieses Landwehr wurde um 1490 wenn nicht gebaut so doch verstärkt und mit zumindest einer noch heute gut erhaltenen Warte im Jahre 1492 bewehrt. Der Erbauer: Kurfürst Berthold von Henneberg. Diese Warte sicherte den sogenannten „Schiffsweg“, der vom Umstädter Land bis zum Main nach Nilkheim bei Aschaffenburg führte.
Vom Bachgauer Landwehr kann man in der Broschüre „500 Jahre Wartturm“ lesen:
„Im Schaafheimer Wald ist die Landwehr in ihrer ursprünglichen Form noch erhalten geblieben. Sie zeigt sich hier wie sie in alten Urkunden beschrieben wird: „Die Landtwehr besteht in drey nebeneinander gemachten gräben … Die Breithe von der Landtwehr ist fast durchgehend 6 ruthen.
Eine Ruthe entsprach etwa 4,50 m, so daß die gesamte Grenzsicherungsanlage mit ihren Gräben und Wällen etwa 27 m breit war. Die Wälle waren zusätzlich mit dichten Hecken bewachsen. 1707 beklagten sich die Mainzer Behörden, daß ‚die Schaafheimer die Hecken vor dem mittelsten Graben auf der Landwehr abgehauen haben‘.
Natürlich mußte die Grenzanlage an einigen Stellen durchlässig sein; dies war bei den Straßenübergängen (den ‚Schlägen‘) der Fall. Diese Durchlässe waren durch Schlagbäume besonders gesichert und mit Wachmannschaften besetzt, die von den umliegenden Kurmainzer Orten gestellt werden mußten.
An den Schlägen standen ‚Stöcke‘ mit den Hoheitszeichen des Territoriums, das hier begann.
Im Zuge des Landwehrbaus ließ Berthold von Henneberg 1492 auf dem Binselberg einen Wartturm errichten. Auf dem Binselberg kreuzte der Schiffsweg, eine alte Handelsstraße, die Landwehr. Diesen Übergang galt es zu sichern.“
Hierzu Wolfgang Hartmann: Die Kurmainzer Landwehr in der südlichen Cent Bachgau, in: Der Odenwald 39 (1992), S. 43-57.
„Überblickt man den Gesamtverlauf der Landwehr auf der Karte, so fällt im südlichen Bereich das starke Abweichen der Landwehr von der Landesgrenze bzw. der ehemaligen Centgrenze (was später für Kurmainz Grenzstreitigkeiten mit den benachbarten Territorialherren zur Folge hatte) auf. Es ging also offenbar nicht primär um die Sicherung der (bestimmt schon längst durch Graben und Hecke markierten) Territorialgrenze, sondern vor allem um eine geographisch vorteilhafte Kontrolle des Grenzverkehrs, der nun gezwungen war, die bewachten Durchlässe, die ‚Schläge‘ zu benutzen.
Für den Landesherrn waren die an den Grenzübergängen kassierten Zölle ein einträgliches Geschäft. Hinzu kamen die Geleitsgelder, jene Gebühren, die Reisende, vor allem Kaufleute, für den Schutz durch eine Geleitsmannschaft zu zahlen hatten. Diese Zwangsabgabe wurde auch nach Wegfall des unmittelbaren Geleitschutzes erhoben.
Am stärksten sprudelten diese Einnahmequellen, wenn im Frühjahr und Herbst in Frankfurt Messe war. Dann rollten von Miltenberg das Maintal hinab viele Fuhrwerke, die der Weg von Augsburg und Nürnberg her über Tauberbischofsheim-Külsheim an den Untermain geführt hatte.
Wohl die meisten Kaufleute sind in früherer Zeit im Bereich des Bachgaues, vor allem bei Großwallstadt, von der Maintalstraße abgebogen, um über (das zum Hoheitsbereich der Grafen von Hanau gehörige) Babenhausen den Weg nach Frankfurt abzukürzen. Das änderte sich, als Kurmainz 1486 das Recht erhielt, die Geleitsroute ausschließlich durch eigenes Territorium zu führen. Nun wurde verbindlich vorgeschrieben, von Miltenberg über Klingenberg, Aschaffenburg, Stockstadt, Seligenstadt, Steinheim und Offenbach zur Messe zu reisen. Mainz hatte somit die ergiebigen Geleitseinnahmen bis Frankfurt für sich allein.
Aus dieser Perspektive verfestigt sich die Überzeugung, dass es mehr finanzpolitisches Kalkül als die Absicht einer verstärkten Landesverteidigung war, was den Mainzer Erzbischof Berthold von Henneberg zur Errichtung der Bachgauer Landwehr (im nördlichen Bereich war es wohl der Ausbau einer älteren Grenzbefestigung) veranlasste. Dafür sprechen mehrere Gründe. Erstens erfolgte der Bau der Landwehr und der Warte gerade in den Jahren nach 1486. Zweitens ist die Landwehr am stärksten in dem für Wegabkürzungen bevorzugten nördlichen Bereich ausgebaut, besonders am Grenzübergang der alten Straße von Großostheim nach Babenhausen. Drittens konnten wir anhand des rekonstruierten südlichen Landwehrverlaufes zwischen Wartturm und Mümling eindeutig feststellen, dass es in erster Linie um die Kontrolle des Grenzverkehrs gegangen sein muss. Und schließlich deutet auch der Name ‚Landwehr gegen Frankfurt‘, den wir auf den eingangs erwähnten historischen Karten fanden, in diese Richtung.
Die für den Bau dieser Landwehr maßgeblichen politischen Hintergründe glauben wir nun zu kennen. Damit erklärt sich auch der zunächst irritierende Sachverhalt, dass zur kurmainzischen Cent Bachgau gehörige Orte – neben Dorndiel waren es noch Eisenbach, Neustatt (heute Neustädter Hof) und Hausen rechts der unteren Mümling – von dieser Landwehr nicht geschützt waren.
Was jedoch noch zu denken gibt, ist der auffällige Umstand, dass die Landwehr nicht nur das – damals schon großteils wüste – Dörfchen Hausen hinter der Sonne außer acht ließ, sondern auch dessen gesamte Gemarkung umgangen hat. An der Zugehörigkeit Hausens zur Cent Bachgau kann es nicht gelegen haben, denn diese beanspruchte Mainz allein für sich, wie die einschlägigen Jurisdiktionalbücher im Staatsarchiv Würzburg beweisen. Es muss also etwas anderes gewesen sein.
Beschäftigt man sich eingehender mit der Ortsgeschichte von Hausen hinter der Sonne, so lässt sich auch dieses Rätsel lösen. Das Dorf unterstand nämlich komplett, also einschließlich seiner gesamten Gemarkung, einem einzigen Herrn, und zwar dem Bamberger Dompropst. Diese Rechtssituation war im Bachgau ein Sonderfall. In den anderen Orten war die Grundherrschaft meist aufgesplittert und/oder Mainz hatte längst Besitz erworben.
Eine Landwehr durch die Hausener Gemarkung zu bauen, wäre also für den Mainzer Erzbischof mit erheblichen rechtlichen Komplikationen verbunden gewesen. Auch ein Ausbau der südlichen Gemarkungsgrenze von Hausen, die ja gleichzeitig die Centgrenze darstellte, war schlecht möglich, da diese mit den benachbarten Territorialherren, den Grafen von Wertheim als Inhabern der Herrschaft Breuberg, strittig war. Der heutige Zickzackverlauf der bayerisch-hessischen Landesgrenze im unteren Mümlingtal ist das Resultat dieser einstigen Machtkämpfe.“
Mehr über den Bachgau und vor allem über die dortige „Schaafheimer Warte“ in meinem Bericht „Hennebergs Warten“ auf meiner Homepage. Aber hier schon mal ein Foto von der Warte:
16. Das Mainzer Domkapitel als Ortsherrschaft in Flörsheim
Hier aus: „Das Mainzer Domkapitel als Ortsherrschaft in Flörsheim und Hochheim“ von Franz Luschberger, Hochheim:
„Über 500 Jahre war das Domkapitel des Erzstiftes Kurmainz Landesherr in den Orten Flörsheim und Hochheim. Mit dem Übergang der beiden Gemeinden, die am Anfang das Dechaneiamt Mainz, später das domkapitelische Amt Hochheim bildeten, repräsentierte der Domdechant, Leiter der inneren Angelegenheiten des Kapitels, in diesem Verwaltungsbezirk als Amtmann oder Oberamtmann den Landesherrn. Die Domdechanten nahmen entscheidenden Einfluß auf die Entwicklung der beiden Orte.
1270 waren die Herren von Eppstein Herren von Flörsheim, als sie das ‚Dorf Vlersheim‘ samt der Gerichtsbarkeit an das Mainzer Domkapitel verkauften. Hochheim war im Besitz des Kölner Domkapitels und wurde von diesen am 4. November 1273 dem Mainzer Domkapitel verkauft.
Das Domkapitel
Das Domkapitel, von den ‚Geistlichen einer Bischofskirche‘ gebildet, hatte im Erzstift Mainz eine starke Stellung. Diese gegenüber den Erzbischöfen, die seit Willigis (975-1011) zugleich die geistlichen Oberhirten als auch in ihrer weltlichen Funktion Landesfürsten waren. Die Mainzer Erzbischöfe übernahmen dazu ab 1125 das für die deutsche Königswahl entscheidende Amt des Kurfürsten und nahmen bis in die napoleonische Zeit das Amt eines deutschen Erz- und Reichskanzlers ein. Das Domkapitel wählte den Erzbischof und erlangte in allen Bereichen der erzbischöflichen Verwaltung eine verhältnismäßig starke Stellung. Domkapitulare bildeten das oberste Gericht der Diözese, das nicht nur für Geistliche zuständig war, sondern auch in Zivilsachen tätig werden konnte. Ein Domkapitular war in Abwesenheit des Erzbischofs als Vertreter mit voller Befugnis ausgestattet. Die Beamten und Einwohner im Erzstift mußten dem Erzbischof und dem Domkapitel Treue schwören und waren beiden zu gleichem Gehorsam verpflichtet.
Der Besitz des Domkapitels war beträchtlich und bestand zum überwiegenden Teil aus Grundeigentum. Andere Einkünfte kamen aus bestimmten Rechten der Domherren. Der Besitz war nicht einheitlich; Vermögensrechte standen sowohl den oberen Domherren wie Propst, Dekan, Kustos, Scholaster und Kantor zu wie auch den übrigen Domkapitularen Erträge anderer Vermögensteile. Der Propst, ursprünglich mit der obersten Leitung und Vermögensverwaltung des Kapitels betraut, wurde in seiner Bedeutung vom Dekan abgelöst, dem Leiter der inneren Angelegenheiten des Domkapitels.
Der Domdechant
Das Domkapitel ließ seine landesherrlichen Rechte in Hochheim und Flörsheim durch seinen Dekan wahrnehmen. Der Dorndechant hatte seinen Amtssitz im Hochheimer Fron- und Domherrenhof, der zusammen mit den Präsenzhöfen – die Dompräsenzkammer war eine Zusammenfassung von Stiftungen, deren Erträge nicht nur den Domherren, sondern allen am Dom angestellten Geistlichen zustanden, wenn sie den Gottesdienst besuchten und Chordienst leisteten – und weiteren Anwesen mit Weinbergen und Ackerland in Hochheim und Flörsheim den ansehnlichen Besitz des Domkapitels und seiner Behörden repräsentierte. Daneben waren Stifte und Klöster im Amt Hochheim reich begütert.
Der Domdechant bediente sich häufig in seiner Funktion als Amtmann eines Stellvertreters, des Amtmannverwesers, der vom Domkapitel ernannt wurde. Auch die vom Domkapitel ernannten örtlichen Schultheißen konnten mit den Aufgaben des Amtmannes betraut werden. Der Amtmann nahm die Rechte und Interessen des Landesherrn wahr. Die peinliche Gerichtsbarkeit dürfte er erst nach 1600 ausgeübt haben, denn bis 1482 war noch das Landgericht Mechtildshausen und danach bis um 1600 das domkapitelische Vogteigericht in Bingen zuständig. Flörsheims Kriminalfälle wurden ab 1600 eigenartigerweise im kurfürstlichen Oberamt Höchst-Hofheim verhandelt. Vorher war ebenfalls das Binger Vogteigericht zuständig, das anstelle des halben Schöffengerichtes in Flörsheim getreten war.
Das Domkapitel legte großen Wert auf die ständige Präsenz des Domdechanten oder seines Vertreters in Hochheim und Flörsheim. Dieser hatte das Recht, bei Verhandlungen in gemeindlichen Angelegenheiten anwesend zu sein und die Ratssitzungen zu besuchen. Er kontrollierte die Gemeinden, war Berufungsinstanz für die örtlichen Gerichte, schlichtete Streitigkeiten und traf die Entscheidungen über die Steuererhebung. Wurden neue Schöffen berufen, so hatte das Domkapitel das Auswahlrecht, es folgte in der Regel den Empfehlungen des Domdechanten. Der Domdechant war Herbstherr. Während der Traubenreife beging er die Weinberge, er setzte den Beginn der Weinlese fest. Verständlich, daß er besonders besorgt um den ansehnlichen Weinbergsbesitz des Domkapitels war, außerdem bestand der größte Teil des Zehnten, der dem Domkapitel als Landesherrn zustand, in Weinlieferungen.
Die Verwaltung
Zum Amt Hochheim gehörte außer Flörsheim ab 1569 noch der Ort Astheim bei Trebur. Gerichtsschreiber, Domsekretär, allenfalls Zöllner und Physicus bildeten die Amtsverwaltung. Ein Amtskeller für die fiskalischen Belange ist nicht bekannt. Offensichtlich wurden diese Aufgaben in Mainz wahrgenommen. In den Gemeinden bildeten die Schultheißen, nach 1600 Oberschultheißen, und die Schöffen mit dem aus ihrer Mitte gewählten Unterschultheiß den Ortsvorstand. Dazu kamen die Geschworenen, auch gemeine Vorgänger genannt, die für bestimmte gemeindliche Aufgaben gewählten Bürgermeister, die Letzen- oder Viertelsmeister, Schreiber, Büttel, Kirchenjuraten. Feuerläufer, Feldgeschworenen, Flur- und Weingartsschützen, Schröter, Tor- und Nachtwächter, Hirten, Aicher, Brot- und Fleischschätzer, Fleischbeschauer und Mehlwiegler. Die Letzen- oder Viertelmeister waren Vermittler für die Einwohner ihres Ortsvierteis mit dem Ortsvorstand, die Kirchenjuraten nahmen die Aufgaben des Kirchenvorstandes wahr, waren aber auch Mitglieder des Ortsgerichtes, so des ‚ungebotenen Ding‘ von 1654 bis 1695. Die Dienste der Schröter (Faßküfer) waren zeitweise ständige, zeitweise unter den Gemeindemitgliedern wechselnde.
Das Amt Hochheim war neben dem Rheingau und Rheinhessen wegen seiner Weinberge, aber auch wegen der Nähe zu Mainz und der günstigen Verkehrslage ein Kleinod des Mainzer Domkapitels. So war hier ein begehrter Aufenthaltsort für die Domherren, die in den Sommermonaten gerne die vom Volk so genannte Dechantenruhe aufsuchten, ein zwischen Hochheim und Flörsheim im Distrikt ‚Kahlenberq‘ nahe dem Mainufer an einer Quelle befindliches, mit Kastanienbäumen bestandenes, schattiges Plätzchen. Es ist die nämliche Stelle, an der nach dem Besuch der Königin Victoria im Jahre 1850 dieser Monarchin zu Ehren 1854 ein Denkmal errichtet wurde.
Erzbischöfe und Statthalter
Im Rahmen dieses Beitrages ist es nicht möglich, die für das Amt Hochheim verantwortlichen Domdechanten, ihre Tätigkeiten und Leistungen, die für die Entwicklung der beiden Orte von 1270 bis 1802 bedeutungsvoll waren, darzustellen. Immerhin wurden fünf der insgesamt 51 Ortsherren in der domkapitelischen Zeit zu Erzbischöfen und Kurfürsten gewählt, darunter Berthold Graf von Henneberg, der 1474-1484 Domdechant und 1484-1504 Erzbischof gewesen ist.
Neubeginn und Rückblick
Nach der Auflösung des Kurfürstentums Mainz und der Säkularisation der geistlichen Güter übernahm Fürst Karl Wilhelm von Nassau-Usingen 1802 die ihm zugesprochenen Orte Hochheim und Flörsheim und ließ sich in den darauffolgenden Monaten von den Einwohnern huldigen. Anfangs hatten die beiden katholischen Orte Besorgnisse wegen ihres Glaubens; als aber die nassauischen Kommissionäre beruhigende Erklärungen abgaben und versicherten, daß die Religion unangetastet bleibe und geschützt werde, war man vollkommen befriedigt. Es entstand sogar lebhafte Freude, denn die Einwohner erhofften nach der Abkehr von der hochadeligen Verfassung von Kurmainz eine bessere Vertretung der Menschen.
Wurden die Erwartungen erfüllt? Noch lange Zeit erinnerte man sich an den Ausspruch ‚Unter dem Krummstab läßt sich gut leben‘. Gut leben in einer Feudalherrschaft, in Zeiten von vielen Kriegen, Nöten und Ängsten? Man mag sich daran erinnert haben, daß die geistlichen Staaten in der Barockzeit im allgemeinen mit ihren Untertanen rücksichtsvoller umgingen. Vom Chronisten ist jedenfalls überliefert, daß das Untertanenverhältnis zum Domkapitel und zu den Domdechanten ein gutes gewesen sein soll, besonders ‚in der letzten Zeit seiner Herrschaft‘. Mit diesem Beitrag wird die Erinnerung an ihre Zeit wachgerufen. Heute noch sind sie gegenwärtig in der ‚Dorndechanei‘, der berühmtesten Hochheimer Weinbergslage, die sie angelegt und mit ihrem Namen versehen haben. So leben die Domherren weiter im funkelnden Rheingauer.
17. Schlussfolgerung und Vorschlag
In der Maßskizze „Wie das Landwehr ausgesehen haben mag“ habe ich dargestellt, welche Gestalt das Kasteler Landwehr in unserer Gemarkung gehabt haben kann. Wenn diese Form des Landwehrs auch nicht zu beweisen ist, so kommt sie der Wirklichkeit doch sicher näher als die bisherige Rekonstruktion, auf der sogar der Graben auf der falschen Seite liegt, also nicht auf der Seite des zu schützenden Gebietes.
Ich schlage daher vor, das Landwehr in unserer Landschaft wenigstens ein Stück weit in der hier beschriebenen Form zu gestalten, voll ausgebaut mit Graben und Wall und Gebück. Anbieten würde sich hierfür eine Strecke von vielleicht 30 – 50 Metern Länge, an der gleichen Stelle wie die bisherige Rekonstruktion gelegen. Auch wenn die Anlage des Gebücks über einige Jahre hinweg betrieben werden muss, gewinnt es gerade durch sein Wachsen und Werden eine besondere Aufmerksamkeit.
Im Rheingau gibt es einen „Gebückwanderweg“, in voller Länge mit Wegzeichen markiert, in Broschüren und Büchern beschrieben und an besonders markanten Stellen mit Hinweistafeln versehen. In der Nähe des Weges gibt es an manchen Stellen noch „Gebückbäume“ zu sehen, also uralte Zeugen einer auch heute noch für viele Menschen interessanten mittelalterlichen Wehranlage.
In ähnlicher Form schlage ich einen Weg „Längs des Landwehrs“ vor, ebenfalls ergänzt durch Hinweistafeln mit Beschreibungen über Geschichte, Streitigkeiten, Entscheide etc.
Dies alles würde eine besondere Anziehungskraft nicht nur auf historisch interessierte Besucher unserer Stadt und unserer Region ausüben. Das „Kasteler Landwehr in der Gemarkung Flörsheim“ könnte als Erinnerung an eine Zeit, da Graben, Wall und Gebück noch Grenzen sicherten, indem sie nahezu undurchdringliche Hindernisse darstellten, hervorgehoben und überregional beworben werden. Damit könnte sich unsere Stadt Flörsheim auch aus einer anderen Sicht als das Tor zum Rheingau präsentieren: als eine über Jahrhunderte von Mainz geschätzte und geschützte Gemeinde.