Ein Vortrag von Rechtsanwalt Steffen Daniel Günther

Der Wickerer Rechtsanwalt Steffen Daniel Günther erläuterte in einem Vortrag am 27. November in der Flörsheimer Kulturscheune in einer Veranstaltung des Heimatvereins 1924 Flörsheim e.V., die Inhalte und Hintergründe der gerichtlichen Entscheidungen um das Flörsheimer Fischerrecht, insbesondere die Entscheidungsbegründungen, und näherte sich damit den möglichen Entstehungsgründen dieses Rechts. Günther studierte Rechtswissenschaft in Frankfurt am Main, hatte innerhalb des Studiums das Wahlfach Rechts- und Verfassungsgeschichte gewählt und hat großes Interesse an rechtshistorischen Fragestellungen; weiterhin ist Günther ehrenamtlich beim Verband Hessischer Fischer e.V. engagiert und ist dort der Rechtsreferent.

Der Vortrag wurde durch Dr. Bernd Blisch, Bürgermeister und Vorsitzender des Heimatvereins, eröffnet, der den Referenten und die Besucher begrüßte, einen guten Verlauf des Abends wünschte und sich entschuldigte, nicht bleiben zu können, da er einen anderen Termin wahrzunehmen hatte.

Der Ausgangspunkt für diesen Vortrag waren die unterschiedlichen Deutungen rechtshistorischer Vorgänge durch Dr. Bernhard Thomas: Es gab kein Fischereirecht der Gemeinde Flörsheim, sie hat sich erst 1880 ein Fischereirecht erworben, und durch Hans Jakob Gall: Seit unbekannter Zeit besitzen die Flörsheimer Fischer ein Fischereirecht.

Der Vortragende erläuterte die Historie der Fischerrechte. Am 30. August 1806 wurde Flörsheim nassauisch und am 23. August 1866 wurde Nassau und damit auch Flörsheim preußisch und sofort gab es eine Gesetzgebungswelle: Entweder wurden alte Gesetze reformiert oder es wurden neue Gesetze verabschiedet. Das Königreich Preußen und das Großherzogtum Hessen erließen 1874 bzw. 1881 Fischereigesetze mit dem Inhalt, dass „Fischereiberechtigungen, welche, ohne mit einem bestimmten Grundstück verbunden zu sein, bisher von allen Einwohnern oder Mitgliedern einer Gemeinde ausgeübt werden konnten, sollen künftig im bisherigen Umfang der politischen Gemeinde zustehen.“

Zwischen den Jahren von 1878 bis 1922 kam es zu einer Reihe von Prozessen um die Fischereirechte am Untermain am Landgericht Darmstadt, am Oberlandesgericht Darmstadt und am Reichsgericht in Leipzig. Daran beteiligt waren vor allem die Fischereigenossenschaft Höchst und die Gemeinde Flörsheim und von Interesse ist, dass die Prozesse sich sozusagen abwechselnd auf die linke, die hessische Seite, oder die rechte, die preußische Seite, bezogen.

Die rechtlichen Fragen waren: Hatten die Flörsheimer ein Fischereirecht und wie wurde es erworben? Und wenn, hatten sie es auf beiden Seite des Mains und in welcher Flusslänge? Es gab zwei Möglichkeiten, das Flörsheimer Recht nachzuweisen: Der Nachweis der Verleihung des Rechts oder die Berufung auf Unvordenkliche Verjährung; einen Nachweis der Verleihung konnten die Flörsheimer aber nicht erbringen. Also berief sich die Flörsheimer Gemeinde auf die Unvordenkliche Verjährung, hier handelt es sich um Rechte „seit Menschengedenken“. Damit ist ein Zeitraum von zweimal 40 Jahren gemeint, also ein Zeitraum, den alte Menschen von sich aus oder aus Berichten und Erzählungen ihrer Eltern oder Großeltern überblicken können.

Somit musste die Gemeinde Flörsheim nachweisen, dass ihre Einwohner 80 Jahre vor in Kraft treten des Preußischen Fischereigesetzes von 1874, also vor 1794, die Fischerei gewerbsmäßig ausgeübt haben. Die Gerichte haben Beweis erhoben vor allem durch Zeugenvernehmungen. Ein Zeuge namens Zerfaß, er war 1907 sechs-undachtzig Jahre alt, gab zu Protokoll, dass alle Flörsheimer Einwohner genau wie die Einwohner aller am Untermain liegender Gemeinden frei fischen durften, auch hätte niemand von ihnen an den Fiskus bezahlt. Weiterhin gab es ein Protokoll von einem Kaplan Dirvas vom 3. April 1879, das feststellt, dass in Flörsheim seit 1734 in Flörsheim die Fischerei gewerbsmäßig ausgeübt wurde.

Der Weg der Flörsheimer zu den Gerichten führte sie zweimal zum Reichsgericht in Leipzig. In beiden Verfahren bestätigte das Reichsgericht das Recht der Gemeinde Flörsheim, die Fischerei im einem Koppelfischereirecht – zusammen mit der Höchster Fischereigenossenschaft – von der Hochheim/Kostheimer Grenze bis zur Mündung des Schwarzbaches auf beiden Seiten des Mains auszuüben.

Im Anschluss an den Vortrag gab es noch Fragen aus dem Publikum, die Günther geduldig beantwortete. Zur Feststellung eines Besuchers, dass jetzt wohl eingesehen werden müsse, dass die Flörsheimer Fischer seit uralten Zeiten den Main zu Recht befischt haben, gab es keine Einwände.

Steffen Daniel Fischer beschloss den Abend mit der Zusage, weiterhin nach Dokumenten zu suchen, auch nach dem Protokoll des Kaplans Dirvas, und dass er darüber zu gegebener Zeit berichten werde.