Dieser Bericht handelt von den mir bekannten 5 Warten, die der Mainzer Fürstbischof Berthold von Henneberg am Ende des 15. Jahrhunderts in seine Landwehren gebaut hat, besser gesagt hat bauen lassen. Beginnen werde ich aber mit den Fernwegen, die ins Landwehr führen.

Hier die Karte des Kasteler Landwehrs mit dem Verlauf von Flörsheim bis Biebrich, stets den Gemarkungsgrenzen der kurmainzischen Gemeinden folgend. Darin eingezeichnet die Standorte der vier Warten, die gleichzeitig auch die großen Durchlässe des Landwehrs in das Kurmainzische Hoheitsgebiet kennzeichnen. Nicht eingezeichnet sind die Fernwege.

Auf der folgenden Karte ist der Verlauf des Landwehrs um die Flörsheimer und zum Teil um die Hochheimer Gemarkung dargestellt und der Standort der Flörsheimer und der Hochheimer Warte markiert.

An der Flörsheimer Warte war das Kasteler Landwehr unterbrochen, ebenso wie an noch drei Orten, wo Fernwege auf das Landwehr trafen.

Einer der Fernwege führte nach Flörsheim, nachfolgend eine Karte mit mittelalterlichen, sogar römerzeitlichen Straßen. Dort ist am Main außer dem Dorf Flörsheim auch das Dorf Seilfurt eingezeichnet und der (gestrichelte) Fernweg dorthin durch die Furt, die einzig mögliche Querung des Untermains solange es noch keine Flörsheimer Fahr gab; nach deren Einrichtung führte der Straßenverlauf durch Flörsheim zur Fahr. Andere Fernstraßen führten nach Hochheim, nach Mainz über Erbenheim und nach Schierstein und Biebrich.

Zum Fernweg nach Flörsheim ein Beitrag von Prof. Ernst Erich Metzner:

„Der verkannte Fernweg durch die ,Landwehr‘ an der ,Flörsheimer Warte‘

Die ehemalige ,Flörsheimer Warte“ wurde wie drei andere gleichzeitige Warttürme genau besehen mit der besonderen Funktion ‚Wegwarte‘ als Teil der neuen Verteidigungsanlage namens ‚Kasteler Landwehr‘ um die erzbischöflich mainzischen Orte nördlich des Mains am Ende des 15. Jhs. erbaut, vor allem mit dem Zweck der abgesicherter Kontrolle des Personen- und Warenverkehrs und der Einnahme von Zöllen an einer damals noch wichtigen Verkehrsverbindung. An der Gemarkungsgrenze Flörsheim-Wicker stieß hier ein schon vorrömischer und römischer Fernweg auf die damalige neu befestigte Landesgrenze Mainz-Eppstein und durchquerte die nur an den Warten durchlässige ,Landwehr‘, die also auch den altgewohnten Nahverkehr zwischen den Nachbargemeinden drosseln, wenn nicht unterbinden sollte. Die drei vergleichbaren Warten fanden bzw. finden sich zum einen, längst abgerissen, an der schon römerzeitlichen sog. Elisabethenstraße nördlich von Hochheim, dann als erhaltene ,Erbenheimer Warte‘ nordöstlich von Kastel und als verschwundene ,Mosbacher Warte‘ zwischen Kastel und Wiesbaden. Die Trasse zur ,Flörsheimer Warte‘ und darüber hinaus führte von einem einstigen kastellgeschützen Limesdurchlass bzw, Taunusübergang herkommend, als Römerstraße schnurgerade durch das heutige Wicker und weiter nicht nach Flörsheim, sondern mit dem Namen ,Steinweg‘ durch die ,Landwehr‘ an der Warte. Von da verlief der Fernweg über den zum Main hinunterführenden langen Kalkstein-Landrücken, die Kelp, zu einer seinerzeit wichtigen Furt und Überfahrtsstelle über den Main nach einem inzwischen aufgegebenen jenseitigen Dorf namens ,Seilfurt‘ bzw. seit dem 15. Jh. wegen der Hochwassergefahr ein wenig nach Osten verlegt, zum ,Landungsplatz‘ vor dem neu gegründeten Amtsstädtchen Rüsselsheim, und von da weiter nach Südosten Richtung Bergstraße.“ *

* Hier irrt der Professor: Bei Rüsselsheim gab es niemals eine Fahr, also keinen Mainübergang für Pferd und Wagen, auch keine für herrschaftliche Kutschen. Solch eine Fahr gab es nur in Flörsheim. Hier verweise ich auf meine Berichte „Die Flörsheimer Fahr und der Rüsselsheimer Nachen“ und „Der Landgraf und die Flersheimer Fahr“ auf dieser meiner Homepage.

Aber so war es: Der Fernweg lief jahrhundertelang auf dem Höhenrücken der Kelb zum Main und in der Nähe der Mündung des Wickerbachs zur einzigen Furt am Untermain, der Seilfurt, und auf der anderen Mainseite zu einem Ort mit dem selben Namen.

Noch einmal Prof. Metzner aus „Einblicke in die Vergangenheit Rüsselsheims am Main“:

Im Westen Rüsselsheims knapp östlich der Mündung des mühlenreichen Wi-ckerbachs jenseits des Mains, nach dem die ,Mühlbachstraße‘ im Rüsselsheimer ‚Westend‘ benannt ist, begann im Verlauf einer alten Südmainufer-Römerstraße namens ,Steinweg‘ (sh. die ,Westend‘-Straße ,Auf dem Steinweg‘) ein offenbar lang in Richtung Mainz sich hinziehen­des wichtiges altes Dorf, in dem im Westen, relativ hochwassergeschützt, die älteste Kirche der Gegend lag, jedenfalls die auch für Rüsselsheim und Hassloch zuständige. Dieses Main-Delta-Gebiet war in der Völkerwanderungszeit um 380 n. Chr. anscheinend von einem kleinen ostgermanischen Stamm besiedelt worden. Das Dorf hieß entsprechend ‚Seilfurt/Seilonofurt‘ (= Furt der ,Seilonen‘ oder ,Seilionen‘). Seine Bedeutung und sein Name kamen auch daher, dass von dort in Richtung östliches Wickerbachufer auch eine wichtige Untermalnfurt bzw. -übergangsstelle ähnlich der von ,Frankfurt‘ (= ‚Furt der Franken‘) verlief; sie war schon in der Römerzeit von einem Nord{west)-Süd-Fernweg benutzt worden, der vom Norden her auf dem Landrücken der ,Külb/Kelb‘ über dem tief eingeschnittenen Wickerbachtal hochwassergeschützt allmählich zum Main bei ,Seilfurt‘ herabführte. Der diente der auch heute noch durch den Niederhausener Pass verlaufenden wichtigen Verkehrsverbindung zwischen dem Limburger Becken bzw. dem Kölner Raum und der Oberrheinischen Tiefebene. Die Trasse verlief z. T. (als Römerstraße) sehr gerade, so z. B. durch Wicker (Taunusstraße/Steinweg), und ihr weiterer Verlauf von da nach Süden wurde durch die inzwischen fast am ursprünglichen Platz wieder aufgebaute ‚Wickerer/Flörsheimer Warte‘, der einstigen Sperre am Durchlass durch die ,Landwehr‘-Grenze von ca. 1500 zwischen dem Erzbistum Mainz (mit Flörsheim) und der Grafschaft Eppstein (mit Wicker), markiert.

Am südlichen Ende der Furt verlor der Straßenknotenpunkt Seilfurt aber noch vor der zunächst noch weiterbenutzten Straße nördlich davon an Bedeutung, weil offenbar das Südufer des Untermains eben bei der Furt und dem Dorf, sogenanntes Prallufer des von Nordosten strömenden und nach Westen abgelenkten mächtigen Flusses, nachweislich bis in die jüngere Neuzeit immer wieder durch verheerende Hochwasser durchbrochen und verwüstet wurde. … So wurde die Trassenführung des Fernwegs im Süden permanent unterbrochen und auch die Existenz des Dorfes Seilfurt höchst problematisch.

Mit der Gründung des kleinstädtischen Rüsselsheims um den heutigen Markt war die Trasse der Fernstraße von Norden her kurz vor dem Main etwas nach Osten verschoben und jenseits des Flusses auf sichereres Ufer am heutigen Landungsplatz und von da über den Marktplatz geführt worden; so wurde der früher über Seilfurt gehende Land-Verkehr umgeleitet.* Aber bis heute benutzte alte Straßenverläufe zielen z. T. mit ihrem alten Namen von Hassloch und Bauschheim her noch auf das einstige Seilfurter Gotteshaus bzw. auf sein Umfeld im heutigen Opelwerkbereich, von wo der vom Dorf einzig erhaltene steinerne Friedhofs­torbogen inzwischen auf den (neueren) ‚Alten Friedhof‘ versetzt worden ist.

Die historische zerstörerische Feuersbrunst von 1476 war nach alledem wohl nicht die eigentliche Ursache für das Wüstwerden Seilfurts bzw. die Umsiedlung der Seilfurter; so besaß das groß geplante Amtsstädtchen Rüsselsheim von Anfang an wohl auch nicht genug Einwohner.

* Und noch einmal des Professors Irrtum:Da es bei Rüsselsheim niemals eine Fahr, also keinen Mainübergang für Pferd und Wagen und auch keine für herrschaftliche Kutschen gab, führte der Fernweg nicht zum Rüsselsheimer Landungsplatz und nicht über den Marktplatz, sondern immer nur zur Flörsheimer Fahr.

Natürlich blieb nach der Zerstörung Seilfurts die Furt und die weiterführende Straße durch den Main erhalten; beide verloren aber ganz sicher schon weit früher ihre Bedeutung, als in Flörsheim eine Nähefahr, eine große Fähre ihren ständigen Betrieb für Personen, für Ochsen- und Pferdefuhrwerke und vor allem für die herrschaftlisch-hessischen Kutschfahrzeuge aufnahm.

Seit Inbetriebnahme der Flörsheimer Fahr, auch Fähre oder Nähefahr, führte der Fernweg also über den Kreuzweg zum Untertor. Abseits der Römerstraßen waren die Straßen und Wege, so auch der Kreuzweg, aber nicht „steinern“. Hier trifft zu, was über die Wege am Bechtheimer Gebück zu lesen ist: „Wenn sich ein Fahrweg zu tief ausgefahren hatte, verlegte man parallel dazu eine neue Fahrspur. Viele teilweise erhaltene und parallel verlaufende Hohlwege in den Tau­nuswäldern lassen dies auch heute noch erkennen. – An Steigungen leisteten Bauern mit ihren Pferden Vorspanndienste. Bei Achsbruch verfiel laut hergebrachtem Grund­rührrecht die Ladung an den betreffenden Landesherrn.“ (Aus: „Das Bechtheimer Gebück …“ von R. P. Wuschek und C. C. J. Schade, Nassauische Annalen 117, 2006.)   

Hier aus dem Flurbuch von Wigandt Hochheimer das Untertor, die befestigte Eingangspforte in das Dorf Flersheim vom „Creutzweeg“ her (ganz unten links).

Vom Untertor ging es durchs Dorf zur Fahr. Doch ab wann gab es die Fahr? Günter Backhoff vom Raunheimer Heimatverein schrieb mir, dass bereits um 1250 – 1260 die Fähre über den Main zu Flörsheim als Lehen der Herren von Eppstein bezeugt ist. Demnach war sie zur Zeit der Zerstörung Seilfurts im Jahre 1474 schon über zweihundert Jahre in Betrieb. Auch liegt mir ein Schreiben ohne Nennung des Autors vor mit folgendem Wortlaut:

„Im 14ten Jahrhundert hatte Flörsheim bereits eine eigne, vom Domkapitel genehmigte, Färgerverordnung die aus 14 Artikeln bestand, von denen noch folgendes Bruchstück vorhanden ist: „Item Flörs(Heimer) hat in seinem Bannwasser seit unerdenklichen Zeiten das Recht zu fischen und hinüber und herüber zu fahren einen Schilling zu fordern. Item wäre es Sache daß einer keme an der Flörsheimer Fähre, auf welcher Seite es wäre, und wollte übergefahren sein, dann die dreimal ruft: ‚Hol, Hol, Holüwer‘ jene die färgen nit holen, wenn dann die Nachbarn, die Nachen haben, ihn holen sol darum nicht gestraft werden.

Es geht daraus hervor, daß das Domkapitel die Flörsheimer Fähre verpachtet hatte , wie dieses bis zur Aufhebung im Jahre 1928 durch den Staat geschah. Nur im Notfall und ohne Bezahlung durfte ein Nachbar überfahren. Die Flörsheimer Fähre muß am Untermain die einzige gewesen sein und man wachte eifrig über ihre Rechte.

Die Mainzer Domkapitelprotokolle enthalten am 2. April 1522 folgende Eintragung: Auf ersuchen des Amtmann Anton Wolf zu Rüsselsheim gestatten das Domkapitel dem Landgrafen von Hessen zu gefallen und dem Amtmann zur guten Nachbarschaft, daß er einen Nachen zu Flörsheim haben möge, daß er das Bauholz zu einem Haus, so er seinem Herrn in Massenheim bauen will, überfahren lassen kann. Nach Beendigung des Holztransportes soll der Nachen wieder abgegeben werden.

Das oben angegebene Datum ist also die Zeit in der, das heute noch erhaltene, Massenheimer-Schloß erbaut wurde.

Wie wir aus obengeschildertem sehen, bestand schon seit Jahrhunderten der Fährbetrieb in Flörsheim.“

Das Schreiben erklärt dann die Funktionsweise einer Gierseilfähre, so wie ich sie in meinem Bericht „Die Flörsheimer Fahr und der Rüsselsheimer Nachen“ beschrieben habe.

Gegenüber von Flörsheim – an der Flörsheimer Fahr, wobei „Fahr“ eigentlich der Name für einen Flussübergang ist, gleich ob er durch eine Furt oder mittels einer Fähre erfolgt – erstreckte sich hinter dem Treidelpfad die kurmainzische „Landstraß“ von Mainz nach Frankfurt (bitte lesen Sie hierzu meinen Bericht „Flersheimer Fundsachen“ und dort „Landstraß und Treidelschifffahrt“); wer nicht nach Frankfurt oder Mainz wollte – und hier folge ich wieder Prof. Metzner – konnte von dem dort gelegenen Platz mit Namen Schnels oder Schnelst auf dem Schnelserweg in das Gebiet der Dreieich und nach Dieburg reisen. Prof. Metzner vermutet gegenüber Flörsheim einen Ort mit einem Hafen (hjg: Wenn es ihn denn gab, dann östlich der Fahr gegen Raunheim zu), sein Name könnte in den Stromschnellen des Mains an jener Stelle seinen Ursprung haben.

Die Bedeutung Flörsheims wuchs bereits im Mittelalter und nun noch mehr durch die Warte, die gemeinsam mit der Fahr einen schmalen Streifen des Mainzer Territoriums kontrollierte, eben vom Landwehr bis hinunter zum Main. Denn drüben auf der anderen Mainseite erstreckte sich die Landgrafschaft Hessen (seit 1479 mit dem Erbe der Grafschaft Katzenelnbogen). Der Fernweg selbst, die alte Römerstraße, wird noch lange nach dem Bau der Warte, also bis weit in die frühe Neuzeit hinein, in beiden Richtungen begangen und befahren worden sein.

Es ist von besonderem Interesse, dass der Fernweg in den Jahren 1540 – 1550 durch den Bau einer Befestigung mit Mauern und Toren in Wicker unterbrochen wurde; ob die Wickerer Gemeinde im Auftrag ihrer Herrschaft dort auch Wegezoll genommen hat, ist mir nicht bekannt.

Nun erweitere ich meinen Bericht zuerst einmal mit dem Blick auf eine Warte, die an ganz anderer Stelle als am Kasteler Landwehr gebaut wurde, die Schaafheimer Warte (im Bild, Fotos hjg).

Denn von dieser Warte, ebenfalls erbaut von Berthold von Henneberg – hier sein Wappen unter dem Helmaufbau – und fertiggestellt im Jahre 1492, liegen mir umfangreiche Informationen vor, die ich von den Warten im Kasteler Landwehr nicht habe. Und zwar durch die Broschüre „500 Jahre Wartturm“, einer Festschrift der Gemeinde Schaafheim aus dem Jahr 1992.

Im Folgenden zitiere ich aus dieser Broschüre:

„Auch die Schaafheimer Warte wurde in ein Landwehr gebaut, das von der Gersprenz bei Stockstadt am Main zur Mümling bei Mömlingen führte und das kurmainzische Territorium im Bachgau einfaßte.

Babenhausen gehörte in jener Zeit mit seinem Umland den Grafen von Hanau. diese besaßen auch Schaafheim und Schlierbach – allerdings nur als Lehen der Kurfürsten von der Pfalz. Radheim und Mosbach befanden sich unter der Regentschaft der Mainzer Kurfürsten. Unweit der Radheimer Dorfgrenze begann die Cent Umstadt, die in gemeinsamem pfälzischen Besitz war.

Wer also damals, vor 500 Jahren, von Schaafheim nach Radheim und von dort weiter nach Umstadt wollte, musste auf dieser kurzen Wegstrecke drei Grenzen passieren.

Kurmainz hatte bereits vor 1496 mit dem Ausbau des Landwehrs begonnen. Als es in jenem Jahr einen Streit zwischen Berthold von Henneberg und seinem Territorialnachbarn Graf Philipp II von Hanau um die Grenzsicherung gab rechtfertigte sich Berthold von Henneberg: „Wir haben um befriedung der unseren einen alten graben wider ufrichten lassen … Es ist landkundigh, daß vormals von alters here ein Graben gewesen, der eingerissen war, den wir wider ufgericht haben.“

Somit steht fest: Die Kurmainzer Landwehr … wurde anfangs der neunziger Jahre des 15. Jahrhunderts zwischen dem Hanauer und dem Mainzer Territorium im Bachgau anstelle einer alten zerfallenen Grenzsicherungsanlage errichtet.

Im Schaafheimer Wald ist das Landwehr noch deutlich zu erkennen: Es bestand aus drei nebeneinander gemachten Gräben, mit Wällen, die Hecken, also Gebück trugen, das Landwehr dort war insgesamt etwa 27 Meter breit.“

Demnach wurde auch die Schaafheimer Warte gebaut an einer Fernstraße, dem „Schiffsweg“, der schon 1338 als südliche Begrenzung des Wildbanns Dreieich genannt wurde; er kam vom Umstädter Land und ging an Großostheim vorbei bis zu den Schiffsanlegestellen bei Nilkheim am Main.

Ursprünglich gehörte der Wartturm Kurmainz. Nach der Auflösung von Kurmainz gelangte der Turm in Mosbacher Besitz, heute gehört er zur Großgemeinde Schaafheim. Auch dieser Wartturm zerfiel, doch im Jahre 1936/37 begannen die Renovierungsarbeiten, bei denen auch die Treppen und die Zwischenböden eingebaut wurden.

In der genannten Broschüre konnte ich lesen, was sicherlich auch für die das Kasteler Landwehr kreuzenden Fernstraßen zutraf: „Die Territorialherren, durch deren Gebiete solch stark befahrene Straßen führten, hatten deshalb den kaiserlichen Auftrag, für die Sicherheit der Durchreisenden zu sorgen und ihnen Geleit zu geben. Sie wurden an den Grenzen von einer Geleitmannschaft übernommen, durch das Territorium geführt und beim Verlassen des Landes an die Mannschaft des benachbarten Landesherrn übergeben. Natürlich musste dieser Dienst bezahlt werden.“

Hierzu ein Artikel von Wolfgang Hartmann: „Die Kurmainzer Landwehr in der südlichen Cent Bachgau. In: Der Odenwald 39 (1992)“, der in seinen Aussagen zu den Abgaben sicher auch für das Kasteler Landwehr zutrifft:

Überblickt man den Gesamtverlauf der Landwehr auf der Karte, so fällt im südlichen Bereich das starke Abweichen der Landwehr von der Landesgrenze bzw. der ehemaligen Centgrenze (was später für Kurmainz Grenzstreitigkeiten mit den benachbarten Territorialher­ren zur Folge hatte) auf. Es ging also offenbar nicht primär um die Sicherung der (bestimmt schon längst durch Graben und Hecke markierten) Territorialgrenze, sondern vor allem um eine geographisch vorteilhafte Kontrolle des Grenzverkehrs, der nun gezwungen war, die bewachten Durchlässe, die „Schläge“ zu benutzen.

Für den Landesherrn waren die an den Grenzübergängen kassierten Zölle ein einträgliches Geschäft. Hinzu kamen die Geleitsgelder, jene Gebühren, die Reisende, vor allem Kaufleute, für den Schutz durch eine Geleitsmannschaft zu zahlen hatten. Diese Zwangsabgabe wurde auch nach Wegfall des unmittelbaren Geleitschutzes erhoben.

Am stärksten sprudelten diese Einnahmequellen, wenn im Frühjahr und Herbst in Frankfurt Messe war. Dann rollten von Miltenberg das Maintal hinab viele Fuhrwerke, die der Weg von Augsburg und Nürn­berg her über Tauberbischofsheim-Külsheim an den Untermain geführt hatte.

Wohl die meisten Kaufleute sind in früherer Zeit im Bereich des Bachgaues, vor allem bei Großwallstadt, von der Maintalstraße ab­gebogen, um über (das zum Hoheitsbereich der Grafen von Hanau gehörige) Babenhausen den Weg nach Frankfurt abzukürzen. Das änderte sich, als Kurmainz 1486 das Recht erhielt, die Geleitsroute ausschließlich durch eigenes Territorium zu führen. Nun wurde verbindlich vorgeschrieben, von Miltenberg über Klingenberg, Aschaffenburg, Stockstadt, Seligenstadt, Steinheim und Offenbach zur Messe zu reisen. Mainz hatte somit die ergiebigen Geleitseinnahmen bis Frankfurt für sich allein.

Aus dieser Perspektive verfestigt sich die Überzeugung, dass es mehr finanzpolitisches Kalkül als die Absicht einer verstärkten Landesverteidigung war, was den Mainzer Erzbischof Berthold von Henneberg zur Errichtung der Bachgauer Landwehr (im nördlichen Bereich war es wohl der Ausbau einer älteren Grenzbefestigung) veranlasste. Dafür sprechen mehrere Gründe. Erstens erfolgte der Bau der Landwehr und der Warte gerade in den Jahren nach 1486. Zweitens ist die Landwehr am stärksten in dem für Wegabkürzungen bevorzugten nördlichen Bereich ausgebaut, besonders am Grenzübergang der alten Straße von Großostheim nach Babenhausen. Drittens konnten wir anhand des rekonstruierten südlichen Landwehrverlaufes zwischen Wartturm und Mümling eindeutig feststellen, dass es in erster Linie um die Kontrolle des Grenzverkehrs gegangen sein muss. Und schließlich deutet auch der Name „Landwehr gegen Frankfurt“, den wir auf den eingangs erwähnten historischen Karten fanden, in diese Richtung.“

Hieraus geht ganz klar hervor, was die Gründe des Kurfürsten Berthold von Henneberg für seine Landwehren mit Warten an nur wenigen Durchgängen waren: Geld und zwar so viel wie möglich einzunehmen. Die räuberischen Bergvölker, derentwegen das Landvolk zu schuften hatte, saßen in Mainz!

Ob es nach dem Bau des Kasteler Landwehrs und der Flörsheimer Warte notwendig war, auf dem kurzen Weg von der Warte zur Flörsheimer Fahr oder von der Fahr zur Warte – und noch dazu durch das Dorf Flersheim – Geleit zu geben ist fraglich, aber nach dem Beispiel im Bachgau sehr wahrscheinlich, denn es brachte ja Geld. Doch darüber habe ich noch nichts gelesen. Ganz sicher aber wurde fremdes Geleit an der Warte oder an der Fahr abgegeben. Vordem jedoch und beim ungesicherten, unübersichtlichen Weg über die Kelp bis zur Seilfurt könnte ich mir gut vorstellen, dass es kurmainzisches Geleit zwischen der Gebietsgrenze und der Furt in beiden Richtungen gegeben hatte, dabei möchten kurmainzer Geleitsknechte die Fuhrwerke begleitet haben. Jedenfalls werden an der Furt Zöllner des Domkapitels ihren Platz gehabt haben, um die Durchgangsmaut und die Geleitskosten zu kassieren, vielleicht überwacht vom Amtsverweser der Hochheimer Domdechanei oder einem seiner Beamten.

Aber auch ohne das Kasteler Landwehr und ohne die Warte wird es seit der regelmäßigen Fährverbindung über den Main eine zwingende Vorschrift des Mainzer Domkapitels gegeben haben, den Fernweg Richtung Süden nach Passieren der Flörsheimer Gemarkungsgrenze ausschließlich zur Flörsheimer Fahr zu nehmen, denn beim Verlassen oder Eintritt ins Mainzer Gebiet konnte an der Fahr kontrolliert und konnten dort Zölle erhoben werden. Von der Fahr in Richtung Norden gab es keinen anderen Weg als durch Flersheim und den Kreuzweg hoch.

Noch einmal aus der Schaafheimer Broschüre: „Es gibt viele Belege, die zeigen, daß die Geleitübergabe nicht immer komplikationslos ablief. Oftmals weigerten sich Geleitmannschaften, ihre Schutzbefohlenen abzugeben, zumal dann, wenn es sich um eine finanzkräftige Reisegesellschaft handelte. Als zusätzliche Sicherungsmaßnahmen wurden auf der Kurmainzer Seite „Geleitswächterhütten auf der Landwehr“ errichtet.“

Professor Heinrich Geißler, der Verfasser der Schaafheimer Chronik, schreibt: „Er (hjg: der Schaafheimer Wartturm) ist in einer unruhigen, von Fehden und Zwistigkeiten durchtobten Zeit als befestigter Wacht- und Signalturm für die zu seinen Füßen liegenden kurmainzischen Orte des Bachgaues errichtet worden und sollte zur Überwachung der angrenzenden feindlichen hanauischen, hessischen und pfälzischen Gebiete dienen. Gleichzeitig mit ihm oder etwas später, im 16. Jahrhundert, wurde längs der hanauisch-mainzischen Grenze eine Grenzbefestigung mit Wall und Graben gezogen, die vom Wartturm in nördlicher Richtung bis Stockstadt reichte und im Walde (Heege) heute noch sichtbar ist, während sie im Feld durch Einebnung und BestelIung längst verschwand und nur noch in der Schaafheimer Flurbezeichnung „Landwehr“ (Landwehrgraben) weiterlebt.“

Hierzu auch aus „Das Bechtheimer Gebück (hjg: und über dieses Gebück werde ich in meinem Beitrag „Das Kasteler Landwehr“ berichten) an der Landesgrenze von Nassau-Idstein“, von Rudolf Peter Wuschek und Christoph Carl Jan Schade, Nassauische Annalen 117, 2006): „In der Nähe der alten Fernstraßen lagen häufig Schanzen. Möglicherweise waren sie Einrichtungen der Territorialherren für ihre Geleitsleute. Für den Schutz dieser Geleits­leute mußten passierende Fuhr- und Handelsleute eine Abgabe, das Geleitsgeld, ent­richten. Sie wurden dann von den bewaffneten Begleitmannschaften sicher von Lan­desgrenze zu Landesgrenze eines jeweiligen Territoriums gebracht. Geleits- und Zolleinnahmen waren gewiß gute Einkünfte der Landesherren, wie man nur am Bei­spiel des Diezer Grafen von 1350 sehen kann. Für eine Strecke von weniger als zehn Kilometern durch seine Grafschaft nahm er den Limburgern für einen Wagen vier Turnose und für einen Karren zwei Turnose ab.“

Nach Belegen zu den Geleiten in unserer Region sollte gesucht werden.

Und noch etwas ist interessant: Beim Bau des Kasteler Landwehrs und den Warten darin wird der Baumeister Henne Mor genannt, bei der Schaafheimer Warte jedoch Konrad von Mosbach (Baden). Wie sich zeigt sind sich jedoch die Warten in ihrem äußeren und inneren Aufbau sehr ähnlich.

Nun zur Schaafheimer Warte selbst: Sie ist 22 m hoch, hat einen inneren Durchmesser von 4,5 m und bei einer Mauerstärke von 1,3 m einen Außendurchmesser von 7,1 m. Das sind die heutigen Maßbezeichnungen, damals wurde in „Schuh“ gemessen. Der Zugang zur Warte lag bei sechs Metern Höhe, er konnte nur durch eine Leiter erreicht werden. Hier ist es wie bei den anderen Warten: Kamen die Wächter der Warten einmal in Bedrängnis, dann kletterten sie nach oben und zogen die Leiter hoch. Die Schaafheimer Broschüre enthält einen Querschnitt durch das Innere der Warte wie folgt:

Das Innere der Warten muss man sich demnach so vorstellen: Die Warten hatten drei Stockwerke und einen zu ebener Erde liegenden „Keller“. Der durch die Leiter von außen her zu erreichende Zugang führte zum 1. Stockwerk. Das hatte eine Reihe von Schießscharten, dort lagerten Schießgeräte und Munition, von dort aus konnte ein Angreifer auf einige Entfernung beschossen werden.

Kam der Angreifer näher heran, konnte er von den Schießscharten im Keller angegriffen werden; wollte er mit einer mitgebrachten Leiter die Eingangsöffnung der Warte erreichen, konnte von der Pechnase über dem Eingang heißes Wasser oder heißes Pech auf ihn geschüttet werden. Die Pechnasen lagen im 2. Stockwerk. In der Schaafheimer Warte gibt es drei davon. Eine von ihnen wurde als Abortnische benutzt. Im 2. Stockwerk gab es auch nach allen Himmelsrichtungen Öffnungen zur Beobachtung des Landwehrs, des Umlandes und der herankommenden Menschen und Fuhrwerke. Von dort aus konnten auch Zeichen an andere, nahegelegene Warten, Befestigungen und Gemeinden gegeben werden, in der Nacht durch Feuerzeichen und bei Tag durch das Schwenken von Fahnen oder Bannern.

Im 3. Stockwerk (heute nicht mehr ausgebaut und daher nicht begehbar) gab es einen Kamin, ganz sicher gab es dort auch Schlafgelegenheiten. Im „Keller“, also zu ebener Erde, werden Lebensmittel, Trinkwasser und Brennholz gelagert gewesen sein.

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Die Schaafheimer Warte wurde in den Jahren 1936/37 saniert und ist seitdem und heutzutage durch einen hölzernen Treppen- und Stockwerksaufbau zu begehen

Von der Ausgucköffnung im 2. Stockwerk aus hat man einen großartigen Blick auf den Bachgau.

Ganz sicher gab es unmittelbar neben den Warten umfriedete Schutzhütten mit Blick auf die Schranke. Die Hütten konnten genutzt werden, wenn nicht mit Angreifern zu rechnen war, wenn es regnete oder schneite oder wenn es gerade mal nichts zu tun gab. Dort mögen auch andere Menschen als die Wachtleute Schutz gefunden haben, wenn sie sich in der Nähe der Warten befanden und sich, auch durch Unwetter, bedroht fühlten, auch das Geleitpersonal konnte dort eine Pause machen oder sich zum Schlaf hinlegen. Von solchen provisorischen Hütten gibt es wenig Nachweise. Von der Hochheimer Warte wird berichtet, dass sie von einer zusätzlichen Mauer mit eingeschlossenem Hof umgeben war.

Jetzt komme ich zu „unseren“ Warten. Ich beginne mit der Erbenheimer Warte, da mir von dort ebenfalls einige Informationen vorliegen, die unter der Voraussetzung, dass die vier Warten im Kasteler Landwehr baugleich waren, auch für die anderen drei Warten Geltung haben können, also auch für die Flörsheimer Warte.

Im Gegensatz zu den anderen drei Warten im Landwehr hat die Erbenheimer Warte die Jahrhunderte überlebt, sie wurde fertiggestellt im Jahre 1497. Nach einer Sanierung im Jahre 2006 kann sie heute in ihrer Größe und Schönheit bewundert werden. Hier wie in Schaafheim sieht man noch, wie die Warten gebaut worden waren: Es gab keinen Eingang zu ebener Erde; in etwa 7 m Höhe (in Schaafheim jetzt mit einem Gitter gesichert) gab es einen Einstieg, der mit einer Leiter zu erreichen war, die bei Bedarf hochgezogen wurde. Kamen die Wächter der Warten einmal in Bedrängnis, dann kletterten sie nach oben, zogen die Leiter hoch und erwärmten Wasser oder Pech, das sie bei Bedarf auf die Angreifer schütteten.

Die Warten im Kasteler Landwehr werden fast baugleich gewesen sein, vielleicht wurde je nach Nähe zu einem Steinbruch verschiedenes Baumaterial verwendet. Die Erbenheimer Warte wurde fertiggestellt im Jahre 1497 und ist 26,5 (22) m hoch, mit einem Außendurchmesser von 7,2 (7,1) m und bei einer Wanddicke von 1,25 (1,3) m einen Innendurchmesser von 4,7 (4,5) m, ähnliche Maße können wir auch bei der Flörsheimer Warte vermuten. (Zum Vergleich habe ich die Maße der Schaafheimer Warte in Klammern daneben gesetzt.) Das sind die heutigen Maßbezeichnungen, damals wurde in „Schuh“ gemessen. Auch der „Innenausbau“ der Erbenheimer Warte wird ebenso wie der der anderen drei Warten im Kasteler Landwehr vergleichbar mit dem Inneren der Schaafheimer Warte gewesen sein. Auf einer Karte aus dem Jahre 1609 von Dillich soll zu erkennen sein, dass die Warte mit einer Mauer umschlossen war; in der Einfriedigung soll es für die ständigen Wachtposten nebst Familien einen Hof, Wohnungen, Ställe und Lagerräume für Lebensmittel und Brennholz gegeben haben. Wenn das so war so gibt es keinen Grund daran zu zweifeln, dass auch die drei anderen Warten der Landwehr ähnlich umbaut worden waren.

Heutzutage ist das Innere der Erbenheimer Warte ausgebaut und kann für Vorträge und Besuche genutzt werden. So fand im November 2007 dort eine Weihnachts-Krippenausstellung statt; aber auch privat kann man sie nach Absprache mit Herrn Leicht, der die Erbenheimer Warte behütet und sie gemeinsam mit seiner Frau betreut, besuchen und besichtigen.

Um noch einmal einen Überblick über die Warten im Kasteler Landwehr zu bekommen hier noch einmal der Verlauf des Landwehrs mit den vier Warten:

Wo wurden die Warten gebaut?

Die Erbenheimer Warte wurde dort gebaut, wo die Straße von Kastel nach Erbenheim das Kurmainzische Territorium verließ.

Von der Mosbacher Warte wissen wir, dass sie am Salzbach, kurz bevor das Landwehr den Rhein erreichte, gebaut wurde, an ihr konnte der Warenverkehr aus dem Nassauischen, das zwischen dem Salzbach und dem Wallufbach das kurfürstliche Territorium innerhalb des Landwehrs vom ebenfalls kurfürstlichen Rheingau trennte, kontrolliert werden. Auch die „Hühnerstraße“ traf hier auf den Rhein: „Es war die Bubenheimer Straße, auf der Wasserscheide zwischen Aar und Wörsbach über den Bechtheimer Schlag verlaufend, die mitten durch die Herrschaft Idstein führte. Diese Straße ist schon 792 als ‚strata publica‘ erwähnt. Als wichtige Nord-Südachse verband dieser wohl schon vorrömische Landweg Siegen mit Mainz am Rhein. Sie führte über Lim­burg, an Mensfelden und Kirberg vorbei, durch den ausgegangenen Ort Bubenheim, der ihr auch den Namen verlieh, bis an den Hühnerberg. Ab hier war sie wohl mit der heutigen Hühnerstraße (B 417), über die Hühnerkirche und Neuhof führend, fast deckungsgleich. Von Neuhof aus zog sie sich in verschiedenen Richtungen über die Platte nach Wiesbaden, auch über den Mosbacher Berg nach Biebrich und Kastel, wo sie den Rhein nach Mainz überschritt.“ (Aus„Das Bechtheimer Gebück an der Landesgrenze von Nassau-Idstein“, von Rudolf Peter Wuschek und Christoph Carl Jan Schade, Nassauische Annalen 117, 2006.)Die Mosbacher Warte wurde 1799 von den Franzosen gesprengt.

Auch von der Hochheimer Warte kennen wir ihren Standort. Sie wurde erbaut an einer wichtigen Kontrollstelle, dort wo die Hochheim-Delkenheimer Straße auf die von Kastel her kommende Steinern Straße, die Elisabethenstraße trifft, auch sie wurde von den Franzosen gesprengt, am 14.11.1799.

Zuletzt kommen wir nun zur Flörsheimer Warte und zu dem, was wir außer von ihrer Fertigstellung im Jahre 1496 wissen. Wie bereits beschrieben wurde sie am Fernweg gebaut, der vom Limburger Becken kommend auf das Landwehr traf, bevor er hinunter zum Main führte.

Hier noch eine Zeichnung aus dem (verschollenen) Flurbuch von 1740 von Oberschultheiß Wigand Hochheimer. Dem Wartturm ist hier ein Gebäude vorgelagert, ähnliche Zeichnungen gibt es mehr. Doch über das Gebäude ist nichts bekannt, weder wann es gebaut und wann es abgerissen wurde. Als die Warte von Schütz im Jahre 1802 gezeichnet wurde, war es schon nicht mehr da. Da aber der Einstieg in die Warte nur über eine Leiter möglich war und dies nur bei Überfällen nötig war ist ein festes Haus mit ebenerdigem Eingang für die Wachmannschaft nützlicher; es kann vermutet werden dass das Haus zu einem späteren Zeitpunkt als gegen 1500 erbaut worden ist.

Am 29. Januar 1817 berichtete die herzogliche Landesregierung des Herzogtums Nassau: „Auf der Gemarkungsgrenze zwischen Flörsheim und Wicker, an der sogenannten Landwehr, steht ein alter Wartturm, welcher Eulen, Raben und herumziehendem Gesindel als Aufenthalt dienet und schon längst von der Gemeinde Wicker auf ähnliche Weise wie die bei Hochheim und Mosbach abgebrochen und zur Wegeverbesserung verwendet worden wäre.“

Wenn dies so war, dann musste die Warte verändert worden sein, wie übrigens die Erbenheimer Warte und die Schaafheimer Warte auch und durch einen bodennahen Eingang zugänglich gemacht worden sein. Wann dies geschah wissen wir nicht, auch von der Erbenheimer und der Schaafheimer Warte ist es nicht verzeichnet. Etwas Aufschluss gibt uns die Zeichnung „Die Warth bei Flersheim“ von Christian Georg Schütz d. J. vom Oktober 1802.

Dort sieht man eine unfachmännisch und unregelmäßig gebrochene Eingangsöffnung ohne Laibungen, so als seien die Mauersteine mit schweren Hämmern zertrümmert worden, um die Warte zu ebener Erde zugänglich zu machen, gerade so, als sollten dort Acker- oder Weinbergswerkzeuge untergebracht werden. Bald jedoch wurde sie, wie 1817 berichtet, von Vögeln und Landstreichern bewohnt.

Wann in die Warten ein ebenerdiger Eingang gebrochen wurde weiß ich nicht. Ich weiß nur, als die wuchtige hölzerne Tür zur Erbenheimer Warte in den ersten Jahren des zweiten Weltkriegs – so gegen 1940/41 – herausgerissen und als Heizmaterial verwendet wurde, lagen darin meterhoch die Ausscheidungen, Federn und Gewölle der sich über viele Jahrzehnte im Turm aufgehaltenen Vögel, es soll ein vorzüglicher Dung gewesen sein.

Von der Erbenheimer Warte hat mir Herr Leicht berichtet: „Der bodennahe Eingang der Erbenheimer Warte war über viele Jahrzehnte mit einer festen Tür verschlossen. Als die Eingangstür im frühen 20. Jahrhundert aufgebrochen wurde, lag dahinter Vogelkot, lagen Gewölle, Federn und Nistmaterial fast zwei Meter hoch. Die Warte wurde gesäubert und der ‚Guano‘ als Düngemittel verwendet.“

Und so nahmen die Dinge ihren Verlauf, die Warte sollte verkauft und abgerissen werden. Und dafür gab es einen Interessenten, einen Herrn Philipp Kramer.

Dem KaufMann (hjg: so wird Kramer im Vertrag genannt) Philipp Kramer aus Mainz gehörte die „Schöne Aussicht“, eine Gastwirtschaft in Wicker auf einem großen Anwesen (dort befindet sich heute die Pension „Tor zum Rheingau“). Philipp Kramer wollte die Schöne Aussicht vergrößern und wollte nicht nur den alten Wartturm zum Abbruch, also zum Steinbruch haben, er wollte auch 150 Gulden in die Flörsheimer Gemeindekasse bezahlen und alle durch den Abbruch entstehenden Beschädigungen an den nahegelegenen Weinbergen ersetzen. Genehmigt wurde der Abbruch am 3. März 1817. Kramer hat die Warte abgebrochen und deren Steine wahrscheinlich zum Bau von Scheune und Keller benutzt, an einem Gebäude, das heute der Gesangverein Harmonie Wicker besitzt.

Interessant hierbei noch, dass im Anhang zum Kaufvertrag festgehalten wurde, dass der Abbruch sich „keineswegs aber auf Aufgraben und Brechen der Fundamente erstrecket“. So blieben sie im Boden und konnten von Prof. Horst Thomas aufgefunden werden.

Nun folgen die Dokumente mit der Rechnungsanweisung und dem Vertrag über den Kauf und den Abbruch der Flörsheimer Warte und was dabei von Kramer zu beachten war. Sie wurden „ausgegraben“ von Werner Schiele, die ihnen folgende Übertragung ist im Wesentlichen von Willy Hochheimer.

Nachfolgend die Übertragung des Schriftstücks:

Flörsheim den 10ten April 1817

In Auftrag H. H. Amtes
in Hinsicht des vorlängstens
zwar unterm 11ten Jänner
d. J. erstattenden Berichtes und
mit Berathung deren Ge-
meinds Vorsteher hat Schultheis
Neumann in Flörsheim, über
den Abbruch des gemeinen
Warththurmes auf dem Flörsheimer
Landwehr zwischen der Flörs-
heimer und Wickerter Gemarck-
ung mit dem KaufMann
Herrn Cramer, begütert und
angesessen zu Wickert unter
Vorbehalt der Genehmigung von
Hoher Landesregierung nach-
folgenden Contract geschlossen und
verabredet: nehmlich und der
gestalten:
1) Es überläßt die Gemeinde
Flörsheim dem Herrn Cramer
zu Wickert den obgenannten
Wartthurm zum Abbruch
auf seine Kösten, wobey jedoch
2) vorbehalten bleibt, daß der
Abbruch nach innen geschehen
und keine Sprengung mit
Pulver vorgenommen werden
solle, damit den benachbarten
Land Eigenthümer kein Schaden
erwachsen als wofür jedoch sowohl
den der durch das Abbrechen als
jenen so durch Vertretten Ver-
fahren oder sonstige Art entstehen
mag, der Herr Cramer ver-
antwortlich ist und bleibt.

3) dörfte durch den Abbruch
und Stein Aufschütten der
Flörsheimer Landwehr und Hohe
Warthweg im geringsten nicht
gesperrt werden; im übrigen
und

4) verobligiret sich die Gemeinde
den Krummer in die Hohl
und Fahrweeg in der Flör-
sheimer Gemeinde in der
Frohnde zur Aus- und Ver-
besserung derselben fahren zu
lassen, darzu jedoch H. Cramer
zu Beförderung der Arbeit
die nöthigen Arbeiter stellen
muß. weilen aber dardurch der
Nutzen desselben begrenzet wird
daß die Steine ohne große
Hinderniß hinweggebracht
werden würden. Schließlichen
aber und

5) müsse die Beendigung des
Abbruchs so viel möglich be-
schleuniget und bis zum Nov.
dieses Jahrs begonnen seyn
in deme dieser Abbruch und
Accord sich nur der Erde gleich
oder auch einige Schuh tiefer
keines Weeges aber auf das Auf-
graben und Brechen des
Fundamentes erstrecket.

für die Summe von 150 G.
schreibe ein Hundert fünfzig
Gulden beyer Anfang des
Bruches an den Gemeinds
Rechner zu Flörsheim zahlbar.

welches dann Herr Cramer
nicht nur zu zahlen und
zu erfüllen versprochen
sondern auch von beyden
Theilen also genehmiget
und unterzeichnet worden
ist mit dem Anfüg daß H. Cramer
den Stempelbogen zum …

Martin Neumann
Fried. Kramer
… Schneider
Josephus Lauck Feldgericht

Wird vermöge hoher Regierungs Resolution
vom 16t April d. J. ad Nr. 1026A diesen
Accord genehmigt, u. das accordmäßige
Summe von
Einhundert und fünfzig Gulden
dem Gemeinds … zu Flörsheim zur
Rechnungs einnahme übertragen
Wallau den 20ten April 1817
Herzoglich Nassauisches Amt
(Unterschrift)
dem Bürgermeister Müller zum Empfang
und quittierung auf das Copia angewiesen
Flörsheim d. 27. April 1817
Neumann

Hier noch einmal aus dem Flurbuch von 1740 von Oberschultheiß Wigand Hochheimer ein Ausschnitt. Hier sieht man, dass dem Wartturm ein Gebäude vorgelagert ist, doch 1817 beim Abbruch der Warte war nichts mehr davon vorhanden.

Wann an den Warten die Anbauten abgerissen und wann dort ebenerdige Eingänge gebrochen wurden weiß ich nicht. Ich weiß nur, als die wuchtige hölzerne Tür zur Erbenheimer Warte in den ersten Jahren des zweiten Weltkriegs – so gegen 1940/41 – herausgerissen und als Heizmaterial verwendet wurde, lagen darin meterhoch die Ausscheidungen, Federn und Gewölle der sich über viele Jahrzehnte im Turm aufgehaltenen Vögel, es soll ein vorzüglicher Dung gewesen sein.

Die neue Flörsheimer Warte

Im Jahre 1996 wurde unweit der Fundamente die Flörsheimer Warte nachgebaut, sie ist heute bewirtschaftet und ist eine von Wanderern und Radfahrern gerne besuchte Wegmarke.

Einige Jahre vor der Errichtung, 1991, hatte Prof. Horst Thomas in einer gutachterlichen Stellungnahme der „Planergruppe Hytrek, Thomas, Weiyel und Weyell“ geschrieben:

„Die Wiedererrichtung der Flörsheimer Warte würde für die Gestaltung der Landschaft und ihren Erholungswert inmitten des Ballungsraumes eine echte Bereicherung darstellen.

Eine exakte Rekonstruktion – die auch vom Grundsatz her problematisch ist – ist aufgrund fehlender Bauaufnahme­zeichnungen des alten Gebäudes nicht möglich.

Daher wird vorgeschlagen, den Bau unter Verwendung sowohl heutiger als auch traditioneller Gestaltungselemente so zu errichten, daß die historische Ehrlichkeit gewahrt bleibt, gleichzeitig aber auch das Interesse an der Geschichte sowie heutige Nutzungsansprüche befriedigt werden können.

Da aufgrund der neuen Standortuntersuchungen viel dafür spricht, daß der exakte Standort doch noch nachgewiesen werden kann, könnte eine Wiedererrichtung durch ihre Standortauthentizität sich näher an der vermuteten Form bzw. an der Form der als ähnlich vermuteten Erbenheimer Warte orientieren. Aber auch in diesem – günstigeren – Fall wären Verweise auf die Errichtung in unserer Zeit wichtig.

Prof. Dipl.-Ing. Horst Thomas

Prof. Metzner hätte sich gewünscht, dass beim Neubau der Flörsheimer Warte mit Hilfe von Schautafeln auf die einst so wichtige Fernstraße, die der Grund für den Bau der Warte gewesen war, hingewiesen worden wäre. „Eine Warte wird nicht für eine Straße von Wicker nach Flörsheim gebaut“, sagt er, „sie war die Flörsheimer Kontrollstation für den Personen- und Warenverkehr in das Kurmainzische von Limburg aus.“ Das müsste den heutigen Besuchern der Warte deutlich gemacht werden.“

Auch dass diese Straße die schnurgerade Taunusstraße, den Steinweg in Wicker und den Bergrücken der Kelb bis zum Main hin verfolgte, sollte nach Meinung von Prof. Metzner mit einer Karte deutlich gemacht werden. Vielleicht im Rahmen des Regionalparks und vielleicht könne ja auch ein Stück des Steinwegs in der Nähe der Flörsheimer Warte nachgebaut werden.