„Wer suchet, der findet“ heißt es, aber manchmal sucht man nicht und findet doch!
So ging es mir, nachdem ich einiges über die Landwirtschaft in der frühen Neuzeit wissen wollte und auf eine kleine Broschüre stieß, die ich antiquarisch erwerben konnte: „Einige Bemerkungen zum Land-Stadtproblem im Spätmittelalter“ von Wilhelm Abel, Verlag VANDENHOECK & RUPRECHT IN GÖTTINGEN, August 1976.
In dieser Broschüre fand ich Hinweise auf den Hering im Spätmittelalter, von dem ich in meinem Buch „Das Lächeln der Lisbeth Nauheimer“, handelnd ab 1484, nur wenige Sätze schreiben konnte:
Lisbet: „Salzheringe? Woher habt ihr die denn?“
Peter: „Von unserem Händler in Kastel, der uns unsere Fische abnimmt, der verkauft jetzt auch Salzheringe.“
Diese Passage sollte einen Hinweis darauf geben, dass im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit von Flörsheimer Einwohnern nicht nur Mainfische, sondern auch Salzheringe gekauft und sicherlich auch mit Genuss verzehrt wurden. Über die Preise der Salzheringe vor allem im Vergleich mit anderen Fischarten, frisch oder gesalzen, konnte ich damals nichts sagen, ich wusste davon nichts.
Bis ich die genannte Broschüre las. Da gibt es auf Seite 35 eine Fischpreistaxe der Stadt Eder in Böhmen aus dem Jahre 1465, die zeigt, dass selbst tief im Binnenland die Meeresfische, gedörrt oder gesalzen, oft billiger waren als die frischen Süßwasserfische. Vor allem der Salzhering war billig. „In den wendischen Städten (hjg: Lübeck, Stralsund, Wismar, Kiel, Rostock) soll am Ende des 14. Jahrhunderts die Einfuhr von Salzheringen jährlich etwa 150.000t betragen haben, wovon ungefähr die Hälfte auf Lübeck entfiel. siehe 1) Der Hering wurde in der Ostsee vor Schonen gefangen und mit Salz aus Lüneburg haltbar gemacht; in Tonnen verpackt konnte er über weite Strecken mit Schiffen und Fuhrwerken zu den Verbrauchern gebracht werden, ohne dass er verdarb.
Und wurde nicht erzählt, dass die Nonnen um Katharina von Bora, der späteren Frau Lutherin, im Jahre 1523 hinter Heringsfässern versteckt dem Zisterzienserinnenkloster Marienthron entfliehen konnten? Und nicht nur deshalb mag auch der Reformator eine Portion Salzheringe nicht verschmäht haben.
Nun folgt ein Auszug aus einer Tabelle1) die belegt, dass frische Fische teurer waren als Salzheringe:
Tab. 1: Fischpreistaxe in Eger 1465, Preise in Heller je Pfund Fischart Preis I. Frische Fische Lachs 36 Hecht, Forelle, Barsch, Aesche 30 große Karpfen 21 kleine Karpfen, Bachfische 16 Blicken, Gründling, Hasel 15 II. Gesalzene und Tonnenfische Hecht 30 Huchen, Zander 24 Rapfe, Geise 20 kleiner Wels 16 großer Stockfisch, Hauptstockfisch 24 Hering 12
Ich nehme an, so ähnlich wird es auch im frühen Flörsheim gewesen sein. Der Main hatte Fische in Fülle, aber sie zu fangen bedurfte es einer langjährigen Ausbildung der Fischer und eines großen Aufwandes mit vielerlei Gerätschaften und deshalb waren sie teurer als der massenhaft in Verkehr gebrachte Salzhering. Und wenn dann Herr Hepp, ein schwedischer Kommissar im Jahre 1633 sich Salzheringe in seine Küche hat kommen lassen, siehe 2), so spricht dies nicht nur für seine Sparsamkeit, sondern auch für seinen guten Geschmack. Denn ein Schwede kannte Salzheringe bestimmt schon aus Mutters Küche!
Und so bleibt mir abschließend festzustellen, dass der Verzehr von Salzheringen gegenüber Frischfisch in Flörsheim an der Wende vom Mittelalter zur frühen Neuzeit und darüber hinaus weder ein Gericht für Reiche noch ein besonderer Luxus gewesen ist: Der Salzhering war billig und geschmeckt hat er auch!
1) Wilhelm Abel: „Einige Bemerkungen zum Land-Stadtproblem im Spätmittelalter“, Verlag VANDENHOECK & RUPRECHT IN GÖTTINGEN, August 1976, 46 Seiten; Seite 34 und 35.
2) http://flörsheim-1656.de
Bild: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Clupea_harengus1.jpg (gemeinfrei)