„Was ist denn das? Das kenne ich nicht.“
„Wo könnte ich es finden? Dort vielleicht?“
„Hier ist etwas. Ist das was?“
„Ja, das ist es. Danach habe ich gesucht.“
„Ich habe es gefunden. Welch eine Freude.“

Dies ist der komplette Inhalt meines neuesten Buches „Freude ist des Finders Lohn“, in dem ich berichten möchte vom Suchen und Finden und von der Freude, die ein Fund bereiten kann.

Manchmal ist es nur ein freudiger Seufzer: „Gott sei Dank habe ich den Autoschlüssel wiedergefunden.“

Aber manches Mal und vor allem dann, wenn das Gesuchte unbekannt gewesen ist und sein Fund eine Überraschung auslöst, kann die Freude darüber einen Schauer des Glücks über den Rücken des Finders jagen; erst recht wenn die Freude jemand anderem mitgeteilt wird: „Schau was ich gefunden habe – ist das nicht großartig?“

Schauen und lesen Sie nun von meinen Funden und nehmen Sie Anteil an meiner Freude bei folgenden Themen:

1.    Die Ermordung des Unterschultheißen Filtzinger und die Sühne der Tat

2.    Die Treidler und die Mainmündung

3.    Die Landstraß

4.    Die Pfründen des Pfarrers Münch

5.    Der Landgraf und die Flersheimer Fahr

6.    Der Liebfrauenaltar in der St.-Gallus-Kirche

7.    Auseinandersetzung um einen Graben

1. Die Ermordung des Unterschultheißen Filtzinger und die Sühne der Tat

Im September 2005 zeigte mir der Flörsheimer Autor Peter Becker eine Abschrift vom Flörsheimer Heimatforscher Philipp Schneider, eine Übersetzung aus dem Flörsheimer Pfarrbuch nach einem Eintrag von Pfarrer Gerhard Lamberti; der Pfarrer beschreibt dort in Latein den Überfall auf den Flörsheimer Unterschultheißen Johann Adam Filtzinger und die Hinrichtung der Mörder Paul Müller und dessen Sohn Martin Müller, ebenfalls aus Flörsheim. Ich kannte den Text nicht und fragte: „Was ist denn das? Das kenne ich nicht.“

Ich begann zu lesen, und was ich las erweckte in mir sofort den Wunsch, mehr über den Unterschultheiß Filzinger, den Mord und die Mörder in Erfahrung zu bringen. Wie ging das zu mit dem Mord? Was geschah mit den Mördern und wo könnte ich darüber etwas finden?

Aber hier zuerst einmal die Abschrift nach Eintragungen von Pfarrer Gerhard Lamberti, der von 1727 bis 1773 Pfarrer und Dechant in Flörsheim war.

 „Am 21. Februar 1769 hauchte Johann Adam Filtzinger, Bürgermeister dieses Fleckens, fromm im Herrn, seine Seele aus. Was seinen Charakter angeht, so war er ein ehrenwerter, gut gestellter, kluger und ausgezeichneter Mann, wie man nicht einen zweiten in diesem Ort finden kann. Ohne Rast setzte er sich für den hiesigen Neubau der Kirche ein.

 Für dieses Werk sozusagen die äußerste Kraft einzusetzen, ging er am 17. dieses Monats in den Wald, um einige Eichen für den neuen Tempel zu fällen. Als er müde um die Mitte der 5. Stunde vormittags nach Hause zurückkehrte, wurde er auf offener Straße von Paul Müller, einem hundsgemeinen Einwohner und dessen verkommenen Sohn Martin Müller, der wenige Jahre vorher, als er Husar war, eine Bombe zum Explodieren gebracht hatte und dabei seine linke Hand verlor, mit gezückten Dolchen wütend ange­fallen. Diese Schurken brachten ihm an Kopf und Körper neun nicht geringfügige Wun­den bei, sodass er darauf infolge der ungeheuerlichen Schmerzen der großen und bösar­tigen Wunden starb. Seinen Mördern verzieh er von Herzen … (undeutliche Stelle). 

Er wurde mit den Sterbesakramenten versehen. Er hatte ungefähr 44 oder 45 Jahre gelebt. Seinem Leichenbegräbnis folgten alle wohlanständigen Leute unter Weinen über den bedauernswerten Mann. Die Täter wurden in derselben Nacht, an deren vorhergehenden Tag sie die Tat vollbracht hatten, auf der Stelle gefesselt ins Mainzer Gefängnis gebracht. Was für eine Strafe ihnen bevorstand, wird die Zeit lehren. Besonders, da der erwähnte Paul Müller zur Strafe des Mühltretens verurteilt worden war, ohne gebessert zu werden.

Für die Nachwelt ist diese hässliche und höchst gemeine Tat dieser Leute ein Ab­schreckmittel und abschreckendes Beispiel. In der Tat war entsprechend der Straftat auch die Schwere des Urteils. Nämlich, am 17. Mai desselben Jahres wurde ihnen und an folgenden Tagen den Ihrigen das Todesurteil von dem Herrn Statthalter und Hofbeamten Corfilianus mitgeteilt. Den Tod erlitten sie am 20. dieses Monats mit unglaublicher Heldenhaftigkeit und herzlicher Reue. (Ein jeder erlitt ihn durch Rad und Schwert). Der Jüngere richtet mit lauter Stimme eine Ermahnung an das Volk, das mit Tränen in den Augen dastand.

Diesem Schauspiel, in dem Vater und Sohn in der selben Stunde durch das Schwert hingerichtet wurden wegen des gemeinen Verbrechens an dem Herrn Bürgermeister, wohnten nach einer Schätzung etwa 10.000 Leute aus Mainz, Frankfurt und aus der Nachbarschaft zu beiden Seiten des Mains bei. Von diesen gingen die meisten wegen der tiefen Reue dieser (der Verbrecher) und zwar hauptsächlich wegen der Ermahnung des Jüngeren, des Martin Müller, der 27 Jahre alt war, unter Tränen nach Hause. Er sagte nämlich, sie seien durch einen Demagogen aufgewiegelt worden. D. Schäfer, der Geistliche dieser (Anstalt?), P. Fröhling aus der Gesellschaft Jesu, P. Keller aus der Gesellschaft Jesu und Tolentius, ein Franziskaner, führten sie hinaus.

 Philipp Schneider, 25. Oktober 1958“

Nachfolgend die Kopie des Dokuments aus dem Kirchenbuch mit den handschriftlichen Einträgen von Pfarrer Lamberti in lateinischer Sprache; das oben links zu lesende Datum 21. Februar 1769 ist das Todesdatum von Unterschultheiß Johann Adam Filtzinger.

In Philipp Schneiders Text fiel mir auf: „… von dem Herrn Statthalter und Hofbeamten Corfilianus“und von diesem Herrn wollte ich zuerst einmal mehr wissen.

Zuerst nahm ich an, dass der Name Corfilianus ein Pseudonym war und dachte an den Dominikaner Heinrich Kramer, der unter dem Namen Henricus Institor oder Heinrich Institoris das Buch Der Hexenhammer (lat. Malleus Maleficarum) nach heutigem Forschungsstand im Jahre 1486 in Speyer gemeinsam mit Jakob Sprenger verfasste.

Da dieser Corfilianus im Jahr 1769 Statthalter, also Vizedom des Mainzer Kurfürsten gewesen sein sollte, müsste dieser Name im Stadtarchiv Mainz zu finden sein; aber dort war er nicht zu finden.

Also habe ich aus den Unterlagen im Stadtarchiv nach dem Namen des damaligen „Statthalters“ gesucht. Es war Carl Adolph Freyherr von Ritter zu Grünstein, der auch Hofrichter gewesen ist.

Der in den Protokollen des Domkapitels zum Fall Filtzinger genannte Gewaltsbote war Anton Joseph Scheppler, Kurfürstlich-Maynzischer Hof- und Regierungsrat. Der Gewaltsbote war der oberste Sicherheitsbeamte in Mainz, er durfte nicht über Nacht der Stadt Mainz fernbleiben.

Also Corfilianus: Hier liegt eine Verwechslung mit Consiliario vor, dem Wort für Ratgeber, Berater.

Aber zurück: Die Worte „… wurde er auf offener Straße von Paul Müller, einem hundsgemeinen Einwohner und dessen verkommenen Sohn Martin Müller … mit gezückten Dolchen wütend angefallen“ ließen mich die Frage stellen: „Peter, wo könnte ich darüber etwas finden? In welchem Archiv? In Mainz vielleicht?“

Darauf Peter: „Dann such‘ mal schön.“

Ich machte mich auf die Suche. Zuerst rief ich Herrn Dr. Rettinger vom Institut für Geschichtliche Landeskunde in Mainz an; Dr. Rettinger verwies mich an Herrn Dr. Dobras von der Stadtbibliothek Mainz, der könne mir Auskunft geben, ob in dem von ihm geleiteten Archiv die von mir gesuchten Unterlagen über den Mordfall vorhanden seien.

Also rief ich Herrn Dr. Dobras vom Stadtarchiv Mainz an; er sagte mir, dass im dort keine Unterlagen vorhanden seien, gab mir jedoch den Hinweis, dass ich vielleicht im Staatsarchiv Würzburg fündig werden könne; ich solle doch das genannte Archiv einfach mal anschreiben.

Am 29. September schrieb ich einen Brief nach Würzburg und erhielte von dort am 6. Oktober vom Leiter des Staatsarchivs, Herrn Dr. Wagenhöfer, eine Antwort, er schrieb unter anderem:

„Erhalten hat sich die stattliche Serie der Sitzungsprotokolle des Mainzer Domkapitels. Die für das 18. Jahrhundert einschlägigen Bände verfügen in der Regel über Register, so dass die Beratungsgegenstände relativ leicht zu ermitteln sind. Der für den Jahrgang 1769 ein­schlägige Band (Mainzer Domkapitelsprotok., Bd. 62) wurde an Hand des Registers über­prüft. Dabei fanden sich auch Einträge, welche sich auf den Mordfall Filzinger beziehen. Da­bei geht es, wenn ich recht sehe, allerdings weniger um das Gerichtsverfahren selbst, als eher um damit verbundene juristische und finanzielle Sach- und Fachfragen. Zudem ist nicht ge­währleistet, dass die Register vollständig sind.

Das Heraussuchen der einschlägigen Textstellen muss dem Benützer selbst überlassen wer­den. Ich schlage Ihnen deshalb einen persönlichen Archivbesuch vor.“

Mit Dr. Wagenhöfer vereinbarte ich einen Termin, und schon am 20. Oktober 2005 fuhr ich mit meiner Frau und Peter Becker nach Würzburg. Auf dem großen Parkplatz vor der Residenz stellten wir das Auto ab, gingen durch den Hof ins Staatsarchiv Würzburg, meldeten uns an und gingen mit zwei dicken Wälzern voller Dokumente in den Lesesaal. Ehrfurchtsvoll, ja in der Tat ehrfurchtsvoll begannen wir in den über 250 Jahre alten Dokumenten zu blättern. Auf einmal flüsterte Peter: „Hier ist etwas. Ist das was?“, und zeigte auf einen Text im unteren Drittel des Dokuments.

Lucia und ich schauten hin. Ich weiß noch, wie mir beim Blick auf das Dokument ein Schauer der Freude über den Rücken lief. Und so dauerte es eine Weile, bis ich raunen konnte: „Ja, Peter, das ist es. Danach haben wir gesucht.“ Denn was wir in den Büchern in gut leserlichen Schrift fanden, übertraf alle unsere, alle meine Erwartungen.

Sehen auch Sie auf die ersten drei der gefundenen Dokumente mit ihren den Mord betreffenden Texten:

Die drei Dokumente aus den Protokollen des Mainzer Domkapitels, Band 62.

Die Dokumente sind in schöner Schrift gut lesbar, und noch heute während ich dies schreibe erinnere ich mich an die unbändige Freude, die mich bei diesem Fund überwältigte.

(Alle Dokumente und alle Übertragungen zum „Fall Filtzinger“ finden Sie auf meiner Homepage unter „Flörsheimer Geschichte und Geschichten“ und dort unter „Die Ermordung des Unterschultheißen Filtzinger und die Hinrichtung seiner Mörder im Jahre 1769“).

Doch nicht immer ging es beim Suchen und Finden so spektakulär zu wie beim Aufspüren der Dokumente mit Filtzingers Schicksal, oft war es weniger aufregend. Aber immer wieder gab es bei mir eine größere oder kleinere Freude über einen besonderen Fund mit Tatsachen, die in dieser oder jener Art mir noch nicht bekannt waren und die entweder meine Neugier mit „Hier ist etwas!“ stillten oder mich zu dem Gedanken brachte: „Hoppla, das habe ich aber anders gelesen.“

2.      Die Treidler und die Mainmündung

Seit unvordenklichen Zeiten gab es bis Ende des 19. Jahrhunderts für den Transport auf der „Wasserstraße Main“ Fracht- und Personenschiffe, Schiffer und Leinreiter.

Die Schiffer wollten Fracht und Menschen transportieren und brauchten dazu die Leinreiter; die Schiffer wollten rasche Fahrt, die Leinreiter aber ließen es eher langsam angehen, um ihre Pferde zu schonen und einen höheren Lohn zu erhalten, denn oft wurden sie für die Dauer des Schiffszugs bezahlt. Aber es wird auch feste Beträge für festgelegte Strecken gegeben haben, zum Beispiel von Mainz nach Frankfurt.

Die Leinreiter benutzten die drei Meter breiten Leinreiterpfade, die auf einer Seite des Flusses, aber manchmal auch auf beiden Seiten angelegt waren. Für die Instandhaltung der Uferstraßen am Main waren die Landesherren in Mainz verantwortlich. Aber besonders bei schlechtem Wetter war der Leinpfad oft nicht befahrbar, auch Hochwasser oder Niedrigwasser ließen keinen Schiffstransport zu.

Das Zugseil wurde am ersten Mast des Schiffes befestigt. Das Seil lief schräg über den Fluss zum Gespann auf dem Leinreiterpfad. Der Gespannführer hatte unablässig das Seil und die Pferde zu beobachten; um aber bei Gefahr schnell abspringen zu können saß er seitwärts auf dem Pferd. Auf manchen Zeichnungen und Stichen hatte er seine Beine zur Flussseite, auf anderen zur Landseite. Die Ruderknechte, einer oder zwei, hatten Schwerstarbeit zu leisten, denn andauernd musste der Ruderholm landseitig gedrückt werden, um den Zug des Seils gegen Land auszugleichen. Am Bug des Schiffes stand ein Schiffer, der, wenn nötig, es mit dem Fahrbaum vom Ufer wegdrücken musste. An seichten Flussstellen wie zum Beispiel an Furten mussten die Pferde in das Wasser geführt werden, auch mussten sie manchmal ausgespannt werden, um mit flexibler Menschenkraft das Schiff weiterzubringen.

Der Schiffszug dauerte oft einige Tage und nicht immer ging der Zug mit nur einem Gespann vonstatten; auf dem Treidelzug musste der Schiffer Mann und Pferd verköstigen und die Unterkunft bezahlen.

An manchen Orten und nach langen Wegstrecken koppelte das Gespann aus und eine andere Gruppe von Pferden und Leinreitern besorgte die Weiterfahrt.

Am Bestimmungsort angelangt, nahmen die Leinreiter ihren Lohn in Empfang und ritten auf der rechten Mainseite zurück, um den linksseitig mainaufwärts ziehenden Treidlern nicht in die Quere zu kommen. Manche der Leinreiter und manche ihrer Knechte sollen in den Wirtshäusern unterwegs einen Teil ihres Lohnes vertrunken haben. Sie machten vielleicht in Flörsheim Station, bevor sie nach Costheim oder Castel weiterritten (Philipp Geis hat dazu das nachfolgende Bild gemalt). Rückwege nahe des Mains wurden vorgezogen, wenn es dort keine gab oder wenn sie überschwemmt waren, ritten die Leinreiter auf anderen Wegen zurück.

Mich beschäftigte die Frage: Wie ist das mit den Treidlern an der Mündung des Mains in den Rhein? Der Treidelpfad verläuft auf der linken Seite des Mains, doch wie kamen die nach Mainz von Köln her auf dem Rhein getreidelten Schiffe in den Main und zum Weitertreideln auf den Leinpfad auf der linken Seite des Mainflusses?

Irgendwann und irgendwo sah ich ein Gemälde von der Mainmündung mit dem Hinweis, dass es im Germanischen Nationalmuseums Nürnberg zu finden sei. Ich schrieb die Fotostelle des Museums an und bekam einige Tage später eine CD gegen Rechnung zugeschickt. Als ich sie auf meinem Laptop öffnete, empfand ich wieder eine große Freude: Dies ist ein großartiger Fund, denn was kann man auf dem Gemälde nicht alles sehen!

Wenn ein Lastschiff von Köln den Rhein heraufkommt, das den Main hoch nach Würzburg gebracht werden soll, führen es die Leinreiter auf dem linksrheinischen Leinpfad über Mainz hinaus und von dort steuern der Schiffer und seine Ruderknechte den großen Kahn mit Hilfe des strömenden Wassers an Sandbänken vorbei auf die andere, die rechte Seite des Rheins und in die rechtseitige Mündung des Mains. Sie legen es ein gutes Stück unterhalb von Costem an und dort wird es von anderen Leinreitern übernommen, denn die Leinreiter am Mainfluss dürfen nicht dieselben sein wie die am Rheinfluss, das ist streng geregelt.

Dann führen die Leinreiter das Schiff bis Costem und von dort wird es mit langen Leinen auf die andere Seite des Mains gezogen, erst jetzt kann es an Rießelsem und Flersheim vorbei nach Frankfurt, Würzburg oder Schweinfurt getreidelt werden.

Der Leinpfad wie auch die daneben laufende Landstraß waren im Besitz der Mainzer Erzbischöfe, darüber mehr unter „3. Die Landstraß“.

Hier ein Ausschnitt aus der Karte:

Auf dem Bild gut kann man gut den Beginn der „Landstraß“ – über die ich anschließend berichten werde – erkennen, eingezeichnet unterhalb des getreidelten Schiffes und hier „Rüsselsheimer Weg“ genannt, eine vom Mainzer Erzbischof geschützte Straße von Mainz nach Frankfurt. Mittels einer Nähefahr, einem großen Fährboot für Wagen und Pferde, konnte  man  sie  von  Mainz  oder  Costheim  her  erreichen.  Ab 1661

verband eine Schiffsbrücke Mainz mit Castell und von da an gelangten Pferd und Wagen von Costheim aus über den Main zur Landstraß.Sehen kann man auch, wo das Landgewehr, das Kasteler Landwehr auf die Steinern Straß trifft, dort kann man einen Galgen sehen und den Eintrag „Das Gericht“ erkennen. Denn an dieser Stelle war die Gerichtsstätte des Landgerichts Mechthildshausen, das bis im Jahre 1270 auch für Flörsheim zuständig war.

Das Datum der Entstehung des Gemäldes ist mir nicht bekannt, doch da die Gustavsburger Festung dort zu sehen ist, muss die Karte zwischen 1632, dem Baubeginn, und 1673, dem Schleifen der Festung, entstanden sein.

3.      Die Landstraß

Der bekannte Stich „Flörsheim am Mayn von Mittag her“, hier koloriert, zeigt die „Landstraß“ zwischen Mainz und Frankfurt; man kann sie auf diesem Bild gut erkennen, denn da gibt es die Treidler auf dem Treidelpfad und auf dem Weg davor fährt eine Kutsche, hier ein Ausschnitt, auf der man gut die ausgefahrene Landstraß erkennen kann.

Ich hatte das Bild oft gesehen und dachte, na ja, da hat der Künstler halt eine Kutsche hinein gemalt. Dass die Kutsche auf der Landstraß von Frankfurt nach Mainz unterwegs ist, erfuhr ich erst, als ich zu meiner Freude im Hessischen Staatsarchiv in Wiesbaden ein Dokument von 1491 fand, einen Vertrag zwischen Berthold von Henneberg und dem Landgrafen in Darmstadt.

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Die Urkunde aus dem Herz. Nass. Centralarchiv Idstein, Hess. Staatsarchiv 105_317_002-1 und 003-1 lautet:

Extract auf dem abscheidt von Grafs Johan zu Nassow undt Graf Ludwig von Isenburg zwischen Churfürst Bertold undt Landtgraf Wilhelm zu Hessen item Anno 1491 uffgericht.

Alß ein Zeitlang wast Irthumb deß bawes undt Vestung halber an dem Schloß zu Rüselsheym undt des fares daselbst am Mayne gewest, itzt auch mit anderen zu unß gestelt, ist umb denselben itzt gemelten Irthum unser beyder Graven von Nassow undt Isenburg entscheidt, also daß der strome des Maynes der leynpfatt undt die landtstrais zwischen Maintz und Franckfurt, auch leuthe undt gut daruff durch unseren gnädigen herren den Lantgraven seiner gnaden Erben undt Nachkommen oder die Iren nit sollen beschedigt aufgehalten oder behindert werden,  diß oder widder Im  daß gemelt schloß Im keinen

wege auch kein unwerung alß zolle wegegelt oder ander beschwerung des orts nit gelegt noch ahngesetzt.Nach dem undt diewyl ein solches wie vorgemelt gehalten soll werden, so mögen hinfurtt er unser gnädiger Herr von Heßen, seiner Gnaden Erben undt Nachkommen, solch schloß Rüselsheym, nach Ihrem willen Notthurft, undt gefallen bawen befesten undt in sonsten behalten sonder verhinderung undt intrag unsers gnädigsten Herren von Maintz seiner gnaden Nachkommen auch deß Capittels oder Stuhls daselbst, undt allermeniglichs von derentwegen doch also daß solcher bawe dem strome deß Maynes den leynpfatt undt die landtstraß nit behinder oder beschwere, auch mogen unßer gnädiger Herr von Hessen, undt seiner gnaden Erben wie vorstehet zu Rüsselsheim ein Nachen halten zu ihrer gnaden Nottdurft undt geprauch doch daß dieselbe nit ferner werde gepraucht und hinderlich soll kein naher zu verkaufen oder kaufmanschatz übergeführt werden.

Undt wann bißher auch ein Molen schiff darzu ein schiff holtz undt kolen darhin gen Maintz zu führen daselbst seint gewest, die mögen dermaßen itzt undt hinfurtter mit sambt der nehen da gehalten undt gepraucht werden wie obgemeldt.

In diesem Vertrag ist geregelt, dass Rüsselsheim einen Nachen halten darf „zu ihrer gnaden Notdurft“, eine Nähefahr aber, eine Fähre für Pferd und Wagen, wurde nicht erlaubt. Aber ein Molenschiff, ein Schiff umgebaut zu einer Mole zum Festmachen von Transport- oder Passagierschiffen, und das Schiff zum Transport von Holz und Kohlen darf weiterhin gehalten und gebraucht werden.

Der Kurfürst Berthold konnte dies alles verlangen, weil der Mainfluss und die Straßen und Treidelpfade am Main durch königliche Verleihung unter der Aufsicht der Mainzer Erzbischöfe standen. Dies geht auch aus einem Vertrag von 1485 zwischen Berthold von Henneberg und der Stadt Rüsselsheim hervor. Den Text entnehme ich einer Arbeit von Prof. Ernst Erich Metzner mit dem Titel: „Eine Urkunde gegen den Restzweifel“, dort heißt es ins Deutsche übersetzt u. a.:

„Obgleich der Fluß Main unter anderen königlichen Rechten uns und unserer Mainzer Kirche gehört und das Schutzrecht sowie das Recht des  Sicherungsgeleites  und  Zollrecht,  ferner  die Staatsstraßen an

beiden Flußufern uns und unserer Kirche zusteht und obgleich deshalb, sowie auch kraft der unserer Kirche erteilten Privilegien und in Ansehung des gemeinen Rechts es niemandem gestattet ist, eine Befestigung (Festungswerk) am Flußufer oder aus Eifersucht neben unserer Straße zu errichten, damit desto mehr die Schifffahrt, der Betrieb und Verkehr auf dem Flusse oder auf der Straße behindert oder gefährdet werden könne. (Soweit das Zitat.)

Und dann fand ich noch im Buch „Groß-Gerau und Gerauer Land in alten Landkarten“, dass dort auf Seite 22 der Verlauf des Untermains zu sehen ist. Auf der linken Mainseite erkennt man den Leinpfad und die Landstraß zwischen Mainz und Frankfurt. Die Karte ist von Georges Louis le Rouge aus dem Jahre 1746.

4. Die Pfründen des Pfarrers Münch

Auf meiner Suche nach dem Verbleib der Flörsheimer Madonna hatte ich mich auf den Marienaltar in der alten Flörsheimer St. Galluskirche konzentriert, von dem ich annahm, dass von diesem Altar eine Verbindung zu unserer Madonna bestehen und gefunden werden könnte, doch das habe ich bisher nicht geschafft. Aber auf etwas anderes bin ich gestoßen: Auf eine kleine Mappe mit einem Dokument, das eine Verbindung von unserem Marienaltar zum Pestpfarrer Johannes Laurentius Münch herstellt, hier das Deckblatt:

Von diesem Dokument hatte ich bisher noch nie etwas gehört oder gelesen: Es ist ein Schriftstücke von Pfarrer Joanni Laurentiy Münch, mit dem er – eigenhändig geschrieben – am 1. März 1701 die mit dem Marienaltar Flörsheim verbundenen Pfründen, hier Ertrag bringende Ländereien, einem Bauern und Einwohner von Flörsheim, den er im Vertrag „hofman“ nennt, zu Lehen gibt.

Ich war erfreut und überrascht und habe den Vorsitzenden des Heimatvereins und heutigen Bürgermeister Dr. Bernd Blisch gebeten, das Dokument, das mit „Kundt undt zu wißen seyn …“ beginnt, zu beurteilen; er schrieb mir:

„Der Text ist der ‚Verleih Brief über das Altargut Beatae Mariae Virginis in Flörsheim an Johann Caspar Bernhart, Bürger und Einwohner allda‘ vom 1. März 1701. Heute würde man von einem Pachtvertrag sprechen. Johann Caspar Bernhart pachtet die Äcker und Weinberge, die zum Marienaltar gehören auf 12 Jahre. In acht Punkten ist geregelt was er zu tun hat und welche Pacht er zahlen muss.

Münch war ja zu diesem Zeitpunkt schon lange nicht mehr in Flörsheim. Es ist aber im Verleih-Brief vermerkt, dass Münch als Kanoniker des Kollegiatstifts St. Maria ad gradus in Mainz die Güter als Zeitlehen innehat und deshalb auch verpachtet.“

Durch mein Interesse an Pfarrer Münch und seinem Leben während der Pestzeit in Flörsheim und weil ich über ihn das Buch „Mensch Münch“ schreiben wollte (und geschrieben habe), musste ich in den zwei Jahren vor 2016 so oft ich dafür Zeit hatte, über Pfarrer Münch und die Pest in Flörsheim und in der Region alles lesen, was nur immer ich erreichen konnte, aber nirgendwo hatte ich einen Hinweis auf die Pfründen des Pfarrers am Marienaltar über seine Flörsheimer Zeit hinaus gefunden. Und jetzt dieses!

Gerade im Jahr 2016 mit der 350. Wiederkehr des Verlobten Tages ist die Urkunde, wie mir Dr. Blisch als Historiker noch schreibt, „ein schöner Fund“.

Das Schriftstück bestärkt mich in meiner Hochachtung vor dem umfassenden Wissen dieses Pfarrers nicht nur über die Auswirkungen und  die  Bekämpfung  der  Pestseuche  (lesen Sie hierzu mein Buch

„Mensch Münch“), sondern auch über die Land- und Weinwirtschaft, indem er dem „hofman“ zum Beispiel vorschreibt, nicht nur Getreide, sondern auch Erbsen und Linsen (als Stickstoffdünger?) auf den Feldern auszubringen. Und es kann, ausgehend von dem genannten Dokument, die Suche nach weiteren Spuren des Pfarrers Johannes Laurentius Münch weiterbetrieben werden.Hier nun meine Transkription der Urkunde des Pfarrers Münch vom 1. März 1701 die belegt, dass Münch, auch nachdem er nicht mehr Pfarrer in Flörsheim war, über sein Kollegiatstift in Mainz noch Pfründen in Flörsheim hält, übertragen nach bestem Wissen und Gewissen; die (für mich) unleserlichen und/oder unverständlichen Wörter habe ich ausgelassen und mit … markiert.

Verley Breif   Uber das Altar guth B M Virgen zu Flörsheim
Ahn Johan Caspari Bernhart burgeren undt Einwohneren
alda d. 1 Marty 1701
Kundt und zu wißen seyn … welchem dieses
zu lesen vorkombt daß heut dato den 1. marty 1701 zwischen mir Endsunderschriebenem alß Joanne Laurentio Münch insignis ecclesia
coll egiata BM Virgen in gradiby lanonno … alß zeitlichem possessori
altaris BM Virgen in Flörsheim undt Joanni Caspario Bernhart burgeren undt einwohneren zu gedachtem Flörsheim alß hofman solcher bestand
undt verleyung der altaräckeren sayn beschehen undt beschloßen solcher gestalt wie folgt

Erstlich soll hofman alle die zum altar gehorigen äcker in seinen
seinen furchen zäunen undt sachen halten und handthaben wie sein
eigen güther solle aber alldaß durch seine nachlaßigkeit von dem selbigen nutzfremdt werden soll gedachter hofman solches auf seine kösten herbey schaffen.

Zwaytenß soll obgemelter hofmann alle näher in diesen gütheren so
in 3 feldereien ligen zway morgen auß seinem hof düngen und misten
und auf seine kösten mit seinem eigenen geschirr heraußfahren.

Dritens soll hofmann einem zeitlichen possessori von diesen güteren
an harter frucht alß korn waytzen gerst erbsen lintzen undt hirsell
die halbscheidt an sommerfrucht aber daß drittell geben undt reichen hin
gegen soll possessori altaris an harter frucht den halben an sommerfrucht aber daß dritte theill saesamen zu geben schuldig sein.

Virtenß soll hofmann alle frucht so auf diesen altar äckeren wachsen
wie sag auch nahmen haben mögen auf seine kosten abmachen die die frucht mit einem zeitlichen possessori auf dem feldt theilen sodan mit seinem geschirr in die scheuer führen doch soll possessori solche auf seine kösten auß… laßen.

Fünftens soll hofman zum wenigsten alle jahr im kornfeld ein
halben morgen mit waytzen ein morgen mit gersten ihm … aber
ein halben Morgen mit erbsen ein halben morgen mit lintzen zu säen schuldig sein hingegen soll possessori den halben saesamen im kornfeldt ihm … aber den dritten theill herzugeben obligirt sein.

Sechstenß soll von possessori altaris in den weinberg allsten gebeßert werden alß soll hofman die beßerung mit seinem geschirr hineinfahren jedoch soll possessori die beßerung von dem seinigen bezahlen.

Siebentenß wirdt dieses altar guth Joanni Caspari Bernhart 12 Jahre lang nach ein ander verlehens undt soll daß erste jahr sein anfang auf
Cathedra Petri alß den 22 february 1701 … solcher …   …
soll gedachter hofman sich bey H possessori widderumb anzumelden.

Achtenß und letzlich wirdt dieses guth vorgedachtem hofman mit diesem außdrücklichen vorbehalt verlehendt daß hofman alle diese hierein
gesetzten articul und condition unverbrüchlich halten und nachkommen.

Solle in ermanglung aber einiges articul soll possessori macht undt gewalt haben ihm hofman ohne einige contradiction die güther hinweg zunehmen undt anderwercklich zu verlehnen.

Dieses zu unserer bekraftigung hab ich possessori diese verlay mit eigener handt geschrieben und mit meinem gewohnlichen pettschaft bekraftigt undt unterzeichent so geschehen den 1. Marty 1701

Joannis Laurentiy Münch

Caplis insignis Eccl coll BMV in gradiby possessor … altaris

Die Urkunde wurde bestätigt in Mainz am 25.3.1701

Urkunde: Hess. Staatsarchiv Wiesbaden 104­_138_001 ff.

5.      Der Landgraf und die Flersheimer Fahr

Zur Bedeutung der Flörsheimer Fahr habe ich im Hessischen Staatsarchiv ein Dokument aus dem Jahr 1501 gefunden.

Der Brief des Landgrafen Wilhelm I. von Hessen (14661515) von Januar 1501 (Nr. 104_61_001 und 002) an den Domdechanten und das Domkapitel in Mainz macht deutlich, wie wichtig die Flörsheimer Fahr gewesen ist. Denn auf dem Weg nach Rüsselsheim (und zu seiner Residenz in Darmstadt) von Norden her musste auch der Landgraf von Hessen mit seiner Kutsche unsere Fahr benutzen; in Rüsselsheim gab es für die Überfahrt nur einen Nachen.

Im Brief beklagte sich der Landgraf, dass er die Flersheimer Fahr benutzen wollte und dass der Schultheiß von Flersheim ihm Schwierigkeiten machte. Der Schultheiß hieß nach meinen Unterlagen J. Arnold.

Der Brief bestätigt damit eindrucksvoll, dass es in Rüsselsheim keine Fahr, keine Fähre für Pferd und Wagen gegeben hatte und dass auch der Landgraf von Hessen, der ganz sicher in einer Kutsche beim Flörsheimer Fährmann vorgefahren ist, auf dem Weg nach Rüsselsheim zur Überquerung des Mains die Flörsheimer Fahr benutzen musste. Im Jahre 1501 war auch das Landwehr fertiggestellt und die Warte gebaut (lesen Sie bitte hierzu meinen Bericht über das Kasteler Landwehr auf meiner Homepage), sodass der Landgraf, woher immer er kam, nicht anders als über den Fernweg und dann über „Warte-Kreuzweg-Durchfahrt Dorf Flersheim“ an die Fahr gelangen konnte.

Hierzu Professor Ernst Erich Metzner: An der Gemarkungsgrenze Flörsheim-Wicker stieß hier ein schon vorrömischer und römischer Fernweg auf die damalige neu befestigte Landesgrenze Mainz-Eppstein und durchquerte die nur an den Warten durchlässige ,Landwehr‘.

Nachfolgend das Dokument aus dem Hessischen Staatsarchiv Wiesbaden 104_61_001 und 002. Ich konnte es nicht lesen und so suchte ich Hilfe und fand sie in der Sütterlin-Stube Hamburg, die gegen eine Spende die Übertragung buchstabengetreu vornahm:

Wilhelm vonn gottes gnaden Lanndtgraue zeu
Hessenn & Graue zeu Katzennelnbog[en] xxx

Vnnsern grues zeuuor Wirdigen vnnd Erbarn Lieben Besonndern
Als Wir nehistuergangens Sonnabents vnnsern Weg her
gein Rüßelßheim gnommen haben Wir einen der vnnsern
vorhin geschickt vnns dy Nehen zeu Flaerßheim vberzeufarn
zeubestellen Des auch den Vierman gutwillig funden Aber
vwer Schultheys daselbst hait das zeuthun hertiglich verbott[en]
vnnd nit gestatt[en] wöllen Solliches Wir naich gestalten ding[en]
vnnd dwyl[?] des orts dy far vnns zeustendig ist befrembdung.
tragen. auch nit glawben das es vwer meynong sy Woltens
vch Im pesten nit vnangetzeygt lassen Begernd by gmelt[en]
Schultheysßen darane zeusein das Wir wederwertigs fürne-
mens hinfür vonn Ime vertrag[en] des sein Wir zeuuersichtig
vnnd vchgunstig[en] willen zeuertzeyg[en] geneigt Datum.
Rüßelßheim Montags Naich der heylgen drier Künige tage
A[nn]o d[o]m[ini] xv [fünfzehn] c [hundert] primo

Deckblatt:
Dem Wirdigen vnnd Erbarn Lieben Besonn-
dern Dhumdechant unnd Capittel zeu Maintz

und senkrecht am rechten Rand:
1501

die f[eriae?] lune [?] mens[is]
January xvci

Lantgraffschaft
mynen g[nädigen] Herrn
andreffe daß
fare zu flerßh[eim]

Nachfolgend ein etwas veränderter Text:

Wilhelm von Gottes Gnaden Landgraf zu
Hessen & Graf zu Katzenelnbog[en] xxx

Unsern Gruß zuvor Würdige und Ehrbare Lieben Besondern.
Als Wir vergangenen Sonnabend unsern Weg her
gen Rüßelßheim genommen, haben Wir einen der unseren
vorgeschickt, uns die Nähefahr zu Flerßheim zur Überfahrt
zu bestellen. Dies (hat) auch der Fährmann gut gefunden. Aber
Euer Schultheiß daselbst hat das zu tun herzlich verboten
und es nicht gestatten wollen. Solches hat in uns nach Lage der Dinge
und weil an diesem Ort die Fahr für uns zuständig ist, Befremdung.
ausgelöst. Auch glauben wir nicht, dass es Eure Meinung sei. Wollten es Euch im Besten nicht unangezeigt lassen. Wir begehren bei diesem
Schultheißen daran zu sein, dass Wir für künftige Vor-
haben von Ihm keine Schwierigkeiten zu erwarten haben. Dessen sind Wir zuversichtlich und Euch günstig zugeneigt. Datum.
Rüßelßheim Montags nach dem heiligen drei Königstag
Im Jahre Fünfzehnhunderteins

6.      Der Liebfrauenaltar in der St.-Gallus-Kirche

Ich hatte es bereits geschrieben: Die Suche nach der Herkunft und dem Standort der „Flörsheimer Madonna“ führte mich zum Liebfrauenaltar in der St.-Gallus-Kirche. Die Flörsheimer Madonna – das Original ist ausgestellt im Landesmuseum Wiesbaden, eine Replik davon befindet sich seit einiger Zeit in der Marienkapelle in der Flörsheimer Bahnhofstraße – ist eine spätgotische Figur des „der Brustlatzmeister“ genannten Bildhauers, der vermutlich im Rheingau lebte und arbeitete, denn eine stattliche Anzahl seiner Werke sind dort zu finden. Erstaunlich ist, dass diese Madonna, entstanden etwa 1490, im Jahre 1928 von Flörsheim aus in den Kunsthandel und ins Museum kam.

Wer aber gab die Figur am Ende des 15. Jahrhunderts in Auftrag? Denn ich vermute, dass sie auf dem Liebfrauenaltar in der St.-Gallus Kirche ihren Platz gefunden hatte, so lange jedenfalls, bis gotische Marienfiguren nicht mehr in Mode waren und durch barocke Schnitzwerke ersetzt wurden, und so ergibt sich die nächste Frage: Wer in Flörsheim hob die Madonna auf, sodass sie über vier Jahrhunderte im Wesentlichen unbeschadet blieb?

Also suchte ich im Hessischen Staatsarchiv Wiesbaden nach Dokumenten zum Flörsheimer Liebfrauenaltar, doch dort konnte ich keinerlei Hinweise auf eine Madonna finden. Aber ich fand unter anderen ein in Latein verfasstes Dokument, eine Schenkungsurkunde aus dem Jahr 1476, das mich neugierig machte. Ich konnte es nicht lesen und so bat ich Herrn Jonas Göhler, Heidelberg, um Hilfe, der mir eine Übersetzung anfertigte, die mich als wissenschaftlicher Laie in ihrer Perfektion erstaunt, so dass ich dem Verfertiger der Übersetzung die allergrößte Hochachtung entgegenbringe: Ich ziehe meinen Hut!

Die Schenkungsurkunde hat Georg Schichtel in seiner Broschüre „Flörsheimer Pfarrer“ von 1967 unter der Notiz von Pfarrer Johannes Gerlacus von Eppenstein (1476) dem Inhalt nach beschrieben, ich glaube aber, dass ein deutscher Text mit weiterführenden Fußnoten und Hinweisen hier erstmals vorgelegt wird, für mich ein Fund, der mir noch immer sehr viel Freude macht.

Dokumente: Hessisches Staatsarchiv Wiesbaden 105_158_001_ff

Urkunde – Übersetzung1

[P. 1] Im Namen des Herrn Amen. Diese hier vorliegende öffentliche Erklärung soll allen und
jedem einzelnen, der sie genau betrachten, ansehen, lesen oder, wenn sie vorgelesen wird, hören
will, ganz zugänglich sein und bekannt gemacht werden.

     Diese Erklärung wurde vor Kurzem – nämlich im Jahr 1476 seit der Geburt unseres Herrn,
in der neunten Indiktion, am Mittwoch, dem 24. April, im fünften Jahr des Pontifikats unseres
allerheiligsten Vaters in Christus, unseres Herrn Sixtus IV.2, Papst durch göttliche Vorsehung – in
meiner Gegenwart als amtlichem Schreiber und in Gegenwart der unten verzeichneten Zeugen,
die eigens zu diesem Zweck gerufen und gebeten worden waren, persönlich abgegeben von dem
ehrenwerten Herrn Petrus Schotz, ansäßig in Weinheim [Wijnheim], einem Laien der Mainzer
Kirche. Er versicherte und legte bei dieser Gelegenheit eindeutig dar,3 dass er höchstselbst der
wahrhaft einzige und unzweifelhafte Patron oder Stifter des Altars der heiligen Jungfrau Maria
sei, der in der Pfarrkirche4 des Flörsheim [Flersheim] genannten Mainzer Dorfs steht. Er fügte
hinzu, dass er allein und niemand anders das volle Patronatsrecht [ius patronatus]5 an diesem
genannten Altar und das Präsentationsrecht [ius praesentandi]6 innehabe.

     7Sein Geschlecht wiederum sei gewissermaßen von Grund auf ausgelöscht. Außerdem wolle
er in dienlicher Weise für das Heil seiner Seele und das Seelenheil seiner Vorfahren sorgen. [Er
tätigte diesen Schritt] zu Gunsten der Erweiterung und Fortführung der Verehrung Gottes und
ohne, wie es mir scheint, durch Gewalt, List, Furcht, Betrug oder irgendwelche finsteren
Machenschaften [p. 2] dazu gezwungen worden zu sein, sondern nach seinem besten Wissen, aus
eigenem Willen und, wie er sagte, nach überaus reiflicher Überlegung. Er verzichtete bei dieser
Gelegenheit in aller guten Form und in jeder recht guten Art und Weise, mit denen er dies gut
und wirksam tun konnte und sollte, für sich und seine Erben [auf die genannten Rechte]. Er
schenkte und übertrug mit einer wahren  Schenkung,  die  unter  Lebenden bezeugt wurde  und

1 Eckige Klammern bezeichnen Zusätze des Übersetzers. Kursiv und in eckigen Klammern gesetzt sind zum
besseren Textverständnis außerdem einige lateinische Termini, die in der Handschrift begegnen, sowie deutsche
Eigennamen, wenn ihre in der Übersetzung verwendete neuhochdeutsche Schreibung von derjenigen in der
Handschrift abweicht.             

 2 Papst 1471-1484.    

3 Der Notar spart nicht mit Synonymen, die in ihrer Fülle im Deutschen nicht immer angemessen wiederzugeben sind.
4 Ecclesia parochialis: Hauptkirche der Gemeinde.

5 Wer ein „Kirchenpatronat“ inne hat, also „Kirchherr“ einer Kirche ist, hat eine besondere Verantwortung für deren

Finanzierung übernommen. Dazu gehören insbesondere die Finanzierung von Bauten sowie die Bezahlung des
Pfarrers und des Pfarrhauses. Rechtlich bleiben die Kirchherren Eigentümer ihrer Stiftungen (z.B. Kirchen oder
Pfrundgüter).

6 Der Kirchherr hatte das Recht, der auswählenden kirchlichen Instanz einen ihm genehmen Pfarrer „vorzustellen“

(praesentare), dieser Empfehlung wurde im Regelfall entsprochen. Er konnte ebenfalls sein Veto gegen einen
Kandidaten aussprechen.

7 Nach der Erläuterung, dass der Schenkende der wahre Besitzer des zu verschenkenden Guts ist, werden im
Folgenden die Motive für die Schenkung aufgeführt.

ohne Hintergedanken, sondern ganz aus freiem Willen stattfand und von seiner
außerordentlichen Gunst und seinem Vertrauen zeugte, den umsichtigen Herren Bauverwaltern
[magistri fabricae8] und den vereidigten Männern der genannten Pfarrkirche in Flörsheim sowie
dem Schultheißen, den Schöffen und den Richtern der weltlichen Gerichtsbarkeit9 ebendort das
auf Zeit vorhandene [pro tempore existens] volle Recht des Patronats (bzw. das Präsentationsrecht)
bezüglich des genannten Altars der heiligen Maria.

     Außerdem wollte er, dass ohne Unterschied alles auf jede Art Schickliche und jenes
Präsentationsrecht bezüglich des derartigen Altars ebenso auch für alle künftige Zeit gemeinsam
bei denselben Bauverwaltern und dem Schultheiß, den Schöffen und Richtern des Gerichts in
Flörsheim verbleibe, was auch überhaupt keiner der genannten ablehnte. Für den Fall aber, wenn
es dazu kommen sollte, dass die genannten Bauverwalter und der vereidigte Schultheiß sowie die
vereidigten Schöffen und Richter bei der Auswahl [in praesentando] einer gut geeigneten Person10
für den genannten Altar unterschiedlicher Meinung und uneinig seien, wollte er deswegen – und
legte es fest und ordnete es an; und will es noch, legt es fest und ordnet es an – dass dann die
praesentatio durch ein ordentliches Losverfahren ihre Gültigkeit entfalten soll. Nichtdestoweniger11
übertrug und übergab er [p. 3], indem er selbiger von Grund auf und deutlich absagte, den
vorgenannten Bauverwaltern, dem vereidigten Schultheißen und den vereidigten Schöffen und
Richtern der genannten Kirche gemeinsam die volle und allumfassende Macht über den
genannten Altar, jedes Recht, bei einer Vakanz gemäß dem Sinn dieser selben wohltätigen
Stiftung eine gut geeignete Person zu präsentieren und alles andere diesbezüglich Notwendige,
wie es beliebe, zu erledigen, sowie das Recht, hinsichtlich der zuvor genannten Umstände zu
handeln, wie auch immer es angemessen sei. Er ermunterte die zuvor genannten Bauverwalter
und den vereidigten Schultheißen und die vereidigten Schöffen und Richter sehr, bei den zuvor
genannten Angelegenheiten so zu handeln, wie es ihnen nützlich und erfolgsversprechend
erscheinen wird.

     Er wollte, dass deren Gewissen über diese Fragen beschwert werde und beschwert sei, damit
Gott, unserem Herrn, in der Höhe für ewige Zeiten göttliche Verehrung erwiesen werde und
erhalten bleibe. Er übertrug und überließ den Bauverwaltern desselben Altars und dem
vereidigten Schultheißen und den vereidigten Schöffen und Richtern das volle Recht und jede
Möglichkeit, eine Unterstützung oder Übertragung, wenn eine solche Not täte, zu erbitten und zu

8 Magister fabricae kann sowohl einen Baumeister als auch (hier wahrscheinlicher) den Bauverwalter, den Leiter der
fabrica (Baukasse/Kirchenvermögen) meinen.

9 Schultheiß (etwa „Ortsvorsteher“); Schöffe und Richter: städtische/dörfliche Ämter (Rechtssprechung und
Verwaltung).

10 Gemeint ist ein auszuwählender altarista (Kaplan).

11 Die Auflage, bei Uneinigkeit ein Losverfahren anzuwenden, ist gewissermaßen die einzige oder letzte Bestimmung des Schenkenden.

erheischen; und zwar von welchen Vorgesetzten auch immer, welche die Macht dazu hätten,
selbige zu gewähren und zu bestätigen.

     Ebenfalls versprach der genannte Petrus Schotz diese Übertragung und die Aufgabe seines
Patronatsrechts [p. 4] aus freien Stücken und für sich und seine Erben (wie schon gesagt), indem
er mir als unterzeichnendem amtlichen Schreiber die Hand reichte, der ich dies feierlich annahm
und es mir in Vertretung und im Namen von allen und jedem einzelnen, den es betrifft, betreffen
wird oder betreffen könnte, zusichern ließ. [Er versprach außerdem auf gleiche Weise, diese
getätigte Übertragung und Aufgabe] auf ewig als beschlossen, gültig und feststehend zu
betrachten, sie unumstößlich beizubehalten und zu beachten und selbige weder im Ganzen noch
zum Teil zu widerrufen, noch widerrufen zu lassen. Er entsagte nichtsdestoweniger auch allen
und jedem einzelnen Vorbehalt und Hilfsmittel sowohl des kirchlichen als auch des weltlichen
Rechts und allen übrigen Vorrechten und Zugeständnissen, mit deren Hilfe er etwas gegen das
vorher Genannte oder einen Punkt des vorher Genannten unternehmen oder dagegen vorgehen
könne. Er fügte gegenüber den Unterzeichnenden hinzu, dass im Falle eines Vorbehalts ein
allgemeiner Widerruf nicht gültig sei, wenn diesem kein besonderer Widerruf vorausgegangen sei.
     Diese Schenkung freilich sowie die so gestaltete Übertragung des Patronatsrechts nahmen
im Namen der Bauverwalter, der vereidigten Männer dieser Kirche, des Schultheißen, der
Schöffen und der Richter des vorgenannten Gerichts willig, erfreut und dankbar an, und zwar in
jeder möglichst guten Art und Form, so, wie sie es konnten und sollten, [folgende] treusorgende
Herren, die persönlich anwesend waren (sie erachteten diese [Schenkung und Übertragung] somit
als vereinbart, beschlossen und willkommen, nahmen sie an und wollten auch, dass sie
angenommen werden): der ‚Weberchen‘ [Weberhen]12 genannte vereidigte Bauverwalter der
genannten Kirche und die Herren Henno Hendorff und Hans Cleßenheim, vereidigte Schöffen
der weltlichen Rechtsprechung in Flörsheim.

     Über all diese Dinge baten mich die vorgenannten – Petrus Schotz, ‚Weberchen‘, Henno
Hendorff,13 Hans [Hanso] Cleßenheim (mit den Titeln wie oben aufgeführt) – als amtlichen
Schreiber samt und sonders, ob ich eine einzige oder mehrere [p. 5] amtliche Urkunden
anfertigen und verfertigen könne.

     Dies alles wurde verhandelt in Mainz, in meinem Wohnhaus (ich bin der selbige Schreiber
wie der, dessen Name weiter unten aufgeschrieben steht) in dem Jahr, in der Indiktion, an dem
Tag, in dem Monat und unter dem Pontifikat, wie sie oben aufgeführt sind. Als Zeugen für das
vorher  Genannte  ebendort  anwesend  waren  die  ehrenwerten  Herren  Johann  Gerlach  von

12 Der Spitzname  ist  (wie  auch  „Bäckerchen“)  nicht  unüblich.  Ein  Schöffe  mit  gleichem  Spitznamen  ist  z. B. in Hochheim  (Urkunde 21.02.1497) belegt, s.  [Deutsche  Digitale  Bibliothek, Stadtarchiv Mainz] https://www.deutsche digitale-bibliothek.de/item/CA4UKRMMCKKKLSTF6NZDNDH4CANHERQM.  

Eppenstein, Pfarrer ebendort in Flörsheim, Adam Brandt, der Kaplan des vorgenannten Altars,
Otto Brunfels, Pfarrer in Steinbach [Stainbach] und Conrad Gobben14 von Warberg, ein
Geistlicher der Paderborner Kirche, die hierzu eigens gerufen und gebeten worden waren.

     15Und ich Conradus Thues von Warberg16, ein Geistlicher der Paderborner Kirche, durch
heilige kaiserliche Vollmacht amtlicher Schreiber und vereidigter Schreiber für die
Angelegenheiten des heiligen Bischofsstuhls zu Mainz, habe deshalb, weil ich all diesen
Vereinbarungen und jedem einzelnen der vorher beschriebenen Vorgänge gemeinsam mit den
vorher genannten Zeugen beigewohnt habe, während diese so, wie es vorher beschrieben wird,
geschahen und getätigt wurden, und deshalb, weil ich gesehen und gehört habe, dass diese genau
so geschahen, die vorliegende amtliche Urkunde, nachdem sie von einer anderen Hand als der
meinen getreu geschrieben worden war, da ich unterdessen mit anderen Geschäften beschäftigt
war, daraufhin angefertigt, bestätigt sowie in diese amtliche Form gebracht und sie dann mit
meinem Zeichen und Namen in der üblichen und gewohnten Form besiegelt. Dies zu
beglaubigen und zu bezeugen, bin ich von allen und jedem einzelnen der vorher Genannten
gebeten und ersucht worden.

     Die vorliegende Kopie der Schenkungsurkunde wurde genau verglichen und stimmt mit
seinem auf Pergament geschriebenen, authentischen Original Wort für Wort überein, was
ich, Wendelinus Lör, öffentlicher Schreiber und vereidigter Schreiber für die
Angelegenheiten des heiligen Mainzer Bischofssitzes mit dieser meiner Unterschrift von
eigener Hand bezeuge:

Wendelinus Lör, s.o.17 [Notarszeichen]

Jonas Göhler (Heidelberg)

13 Nach Hendorff und vor Hanso steht ein Wort, dessen Lesung unsicher ist. Wahrscheinlich ein Verbindungspartikel oder ein zusätzlicher Namensteil.

14 Ein Conrad Gobben erscheint in einer Urkunde vom 28.11.1496 als Vikar und Präsenzamtmann zu St. Stephan in
Mainz, der einem hessischen Kameralverwalter („Kellner“/cellarius) den Erhalt einer Lieferung Korn quittiert. S. Karl

Demandt / Johannes Papritz (Hgg.): Das Schriftgut der landgräflich-hessischen Kanzlei im Mittelalter (vor 1517).
Verzeichnis der Bestände. Teil 2: Rechnungen und Rechnungsbelege, Bd. 3, S. 385, Nr. 2814. Möglicherweise handelt es sich dabei um den hier genannten Konrad Gobben.

15 Am Rand ergänzt: „An dieser Stelle steht das Zeichen des Schreibers.“

16 Ein Conrad Thus (lat. für Weihrauch) von Warberg ist am 11.06.1501 gestorben und in St.Stephan in Mainz
begraben worden, wovon eine Grabplatte im Kreuzgang zeugt. Siehe hierzu den Artikel „DIO 1, Mainz, SN2, Nr. 7“

von Susanne Kern auf der Internetseite des Akademieprojekts „Deutsche Inschriften“ (www.inschriften.net),
urn:nbn:de:0238-dio001mz00k1000700. Möglicherweise handelt es sich dabei um unseren Schreiber.

17 Gemeint ist, dass Lörs Amtsbezeichnung bereits zuvor genannt ist und hier nicht noch einmal wiederholt werden

muss.

7. Auseinandersetzung um einen Graben

Die Dokumente in diesem Bericht lesen sich wie eine Anekdote. Hat doch der Flersheimer Schultheiß – er hieß nach meinen Unterlagen Johann Stein – einen Graben machen lassen, um dem Transport von Mensch und Vieh mittels der unrechtmäßigen Rüsselsheimer Fahr ein Ende zu machen. Und prompt reagiert die Darmstädter Landgräfin.

Vorab aber: Schon im Mittelalter gab es eine Flörsheimer Nähefahr, also eine Schiffsfähre für Pferd, Wagen und Lasten – und es gab, ebenfalls schon in alter Zeit, eine kleine Fahr zwischen Rüsselsheim und Flörsheim in der Nähe des Mühlbachs/alten Bachs/Flörsheimer Bachs/Wickerbachs, dort lagen Nachen auf beiden Seiten des Mains. Sie wurden benutzt von den Müllern auf Flörsheimer Seite und von Schiffern und Bauern auf der Rüsselsheimer Seite. Wie ich bereits an anderer Stelle geschrieben habe, ist die Flörsheimer Nähefahr die Fortführung des Fernwegs durch das Landwehr mit Warte gewesen: Er ging über den Kreuzweg, ging durch das Untertor und durch die Untergasse zum Main.

Es gab eine Übereinkunft von 1491 zwischen dem Mainzer Erzbischof Berthold von Henneberg und dem Landgrafen Wilhelm zu Hessen (sie habe ich unter „3. Die Landstraß“ vorgestellt); diese Übereinkunft betraf nicht nur den Schutz des auf Rüsselsheimer Seite gelegen Churmainzer Leinpfads und der Landstraß, sondern auch die Fähren über den Main, Eine Nähefahr für Rüsselsheim war darin ausgeschlossen.

Warum es bis zum Ende des 17. Jahrhunderts dauerte – vielleicht haben wir nur keine anderen Dokumente –, bis der Streit um die Überfahrtsrechte das hier geschilderte Ausmaß annahm, kann ich nur vermuten. Vielleicht war das Ende der mainzischen Duldung der auch nach dem 30-jährigen Krieg weiterhin geführten Fahrten über den Main erreicht, als nunmehr immer mehr Viehhändler den doch offenbar großen Rüsselsheimer Fährnachen oder Fährschelch benutzten, um die Flörsheimer Fahr zu umgehen und dort keinen Zoll bezahlen zu müssen. Vor allem aber war durch stetigen Gebrauch und zu Unrecht „die gewöhnliche Straß von Rüsselsheim über den Mayn gen Hochheim“ (so schrieb die Landgräfin) in Flörsheims  Äcker  und  Grasland hinein entstanden.

Der Dechant  greift das auf und schreibt: „Die … neuerlich eingeführte Landstraß (ist) nit allein denen privatis … schädlich.“

Der Brief der Landgräfin, seit 1678 Witwe und Hessens Regentin, überraschte den Erzbischof, das Domkapitel und den Dechanten. Aber die Kurmainzer verteidigten die Flörsheimer Nähefahr als die allein rechtmäßige Fahr am Untermain.

Bei den Auseinandersetzungen wird sich auf den im Jahre 1491 zwischen dem Mainzer Erzbischof Berthold von Henneberg und Landgraf Wilhelm zu Hessen geschlossenen Vertrag berufen, den ich unter „Die Landstraß“ bereits vorgestellt habe.

Die Dokumente sind von 1682 bis 1695, alle Dokumente sind unter Hess. Staatsarchiv Wiesbaden Abt.: 105, Nr. 363 zu finden. Auch diese Dokumente sind ein schöner Fund, der mir auch deshalb Freude macht, weil er aufräumt mit den Aussagen mancher Historiker, dass es in Rüsselsheim bereits im Mittelalter eine Fahr gab, groß genug, um den von Norden her kommenden Fernweg ins Kurmainzische nach dem Brand in Seilfurt über Rüsselsheim umzuleiten. Im Gegenteil, bereits zu Zeiten einer intakten Furt vor dem Dorf Seilfurt führte der Fernweg von Norden her durch das Dorf Flersheim und zur Flersheimer Fahr.

Hier nun zuerst eine Zeichnung mit dem Graben, einmal nach dem Dokument Nr. 105_317_017, und dann noch einmal mit farblichen Kennzeichnungen, von mir eingefügt, um die Situation „vor Ort“ deutlicher zu machen. Der Graben sollte es den Rüsselsheimern unmöglich machen, Waren und Vieh nach Hochheim zu bringen.

Die „Anektode“ erschließt sich beim Lesen der Übertragungen. Denn zur Begründung der Rechtmäßigkeit des Grabens werden ältere Flörsheimer, aber auch Rüsselsheimer Einwohner befragt, die sich daran erinnern, dass es den Graben schon immer gab. Aber auch die Verlagerungen der Flörsheimer Fähre im 30-jährigen Krieg nach Rüsselsheim hin sind nicht nur lesenswert, sie gewähren auch einen Einblick, wie die Flörsheimer dem Krieg mit der Flucht in die dortige Festung ausgewichen sind.

Aus dieser Zeichnung geht hervor, wie von der Rüsselsheimer Nähefahr her „die neue Landstraß nach Hochheim“ quer über die Flörsheimer Äcker durch vielfältigen Gebrauch durch Mensch und Vieh und vielleicht auch durch Fuhrwerke entstanden ist.  Und  man  sieht, wie der Graben

diesen Weg versperrt und nur einen (schmalen) Steg und einen schmalen Pfad für Menschen und Esel zulässt. Aber lesen Sie selbst, wie zwischen Hessen-Darmstadt und Rüsselsheim und Kurmainz und Flörsheim gestritten wurde, bis es zum Abschluss der Diskussionen in den Dokumenten 105_317-026-1 bis 028-1 kam.Die Übertragungen der Dokumente habe ich nach bestem Wissen und Gewissen vorgenommen, mir nicht verständliche Wörter, Ausdrücke und Endungen habe ich mit … oder ? gekennzeichnet.

Die Dokumente sind zweiseitig kopiert mir zugegangen, der besseren Lesbarkeit halber habe ich sie seitenweise getrennt,
z. B. Hess. Staatsarchiv 105_317_002

in      Hess. Staatsarchiv 105_317_002-1 und 105_317_002-2

und habe die Trennung in der danach folgenden Übertragung eingehalten.

Allerdings zeige ich hier nur die Übertragung der Dokumente, sie selbst außer dem Deckblatt und der Zeichnung zeige ich nicht und verweise auf meine Homepage, dort auf „Flörsheimer Geschichte und Geschichten“ und dann auf „Auseinandersetzung um einen Graben“, dort sind sie alle zu sehen.

Scan2Net Scanner Output

Hess. Staatsarchiv 105_317_001

Acta betr.
Das von Heßendarmbstatt pretendirte
Nachen und Nehenfahr zwischen Rüsselsheimb und
Flerßheimb auf abschaffung des von denen
Flersheimern ausgehobenen grabens ahn der Weydt
1491
Ab Anno 1686 bis 1695

Hess. Staatsarchiv 105_317_003-2

Die Landgräfin schreibt 1682 an den Erzbischof:

(Die Kopie der Urkunde ist auf der rechten Seite stark beschnitten, so dass der dortige Text nicht zu sehen ist. Dem Verständnis der Urkunde tut es keinen Abbruch. Die Fehlstellen sind mit = gekennzeichnet.)

Unßer freundlich Ehrendienst
was Wir sonsten mehr Liebs und =
Vermögen, jeder Zeit zu von hohen =
Fürst, besonders Lieben Herrn und =

… mögen wir nicht verhalten, als Wir =
tagen von einer Reyß bey hießiger fürstl. Residenz
wider angelanget, wasmaßen Uns von den Beamten
zu Rüsselsheim der unvermithelt Bericht eingetroffen, als
ob der Schultheiß zu Flörsheim das Rüsselsheimer Mayn-
fahrt jenseits gewalt und aigenthätiger weiße, auch
wider alles unüberdenkliches Herkommen und die biß-
herige uralte observantz, zu vergraben und zu ver-
scharren, und dardurch die gewöhnliche Straß von Rüssels-
heim über den Mayn gen Hochheim in die Herrschaft
Epstein und anderwerts de facto hemmen zu laßen, sich
verderblich unterstanden habe.
Gleichwie Wir nun gäntzlich darvor erachten, daß solche nun=
liche und unjustificirliche Thathandlungen ohne Euer
Wissen und Befehl geschehen; so zweifeln wir nicht =
selbige werden, gedachter schultheißen strafwürdiges =
tatum nicht allein nicht gutheißen, sondern auch gegen =
selben gehörige Andung vornehmen, und wie Wir Sie =
under freundl. ersuchen, durch denselben sothanes =
tatum abschaffen, den Graben wiederum sobalden zu =
…fen und alles in vorigen stand stellen, auch folglich dann
dem Commercio zwischen beiderseits Land und Leuthen =
straßen ungehinderten Lauff zu gönnen, die Verfügende
Anordnung zu thun Ihro Gefallen lassen, Gestalt wir
selber hiermit darumb freundlich ersuchen, dero selber
Beschwerte willfahrige antwort auch bey Über=
dießes erwarten, und Ihro zu allem angenehmen freundlich =
…barlichen Diensten weißungen stets bereitwillig verbleiben.
Datum Darmstatt am 6.ten Novembris 1682

Von Gottes Gnaden Elisabeth Dorothea Landgräfin =
Hessen, Fürstin zu Herßfeld, geborne Hertzogin zu Sachsen =
Closter und Burg-Gräfin zu Catzenelnbogen, Dietz, Ziegenhain =
da, Schauemburg, Ysenburg und Büdingen, Wittib, Vormunde-
rin und Regentin

in … gebühr dinstwillige frau

Hess. Staatsarchiv 105_317_004-1

Notiz:

Fürstl. fraw wittib zu Heßen
Darmbstatt beklagt sich
daß der Schultheiß zu Flers-
heimb jenseith des Mains
daß Rüsselsheimer fahr
abgegraben habe.
1682

Der Dechant und das Domkapitel schreiben an den Erzbischof:

Dem Hochwürdigsten
Fürsten, Herrn Anselm Fran-
tzen, Ertz Bischoffen zu Maintz,
des Heyligen Römischen Stuhls
durch Germanien Ertzcantz-
larn und Churfürsten Un-
serem besonders lieben
Herrn und Freund
Maintz den 18ten novembris 1682

Hess. Staatsarchiv 105_317_004-2

Hochwürdigster Fürst und Herr, Ewer
Fürstl. Gnad. seyen Unsern Unterthänig Willige
Dienst mit allem fleiß zuvohr bereith, Gnadiger
Lieber Herr.

Dessen bey Ew. Fürstl. Gnad. sich die Frau Land-
Gräfin, Regentin und Vormunderin zu Hessen
Darmbstatt über einen innseits Rüsselsheim selbigen
Mainfahr zu vermeintem nachtheil aufgeworfenen
graben gegen Unsern Schultheißen zu Flerßheim
beschwert gemacht, ein solches haben Wir ab dero-
selben Unß communicirten undt hinbey wieder
zurück gehentem schreiben mit unserem vernohmen
und darauf nit underlaßen, darüber behörige
information einzuziehen, waß eß darmit nuhn für
eine warhafft beschaffenheit haben ein solches ge-
ruhen Ew. Fürstl. Gnaden ob hiebey folgenter
Unß erstatteter relation hinwieder gnadiglich
zu erfahren, und berichten Unß die Unßerige dabey
ferner mündlich, da die ältesten Rüsselsheimer Under-
thanen selbsten hierüber sollten gehört werden, daß
sie ein ebenmessiges würden beiahen und außsagen
müssen.
Gleichwie nuhn die auff dem orth questionis eine

Hess. Staatsarchiv 105_317_005-1

Zeitlang neuerlich eingeführte Landstraß nit allein
denen privatis, auf deren äckeren selbige her-
gehet, schädlich, sonderen auch Ew. Fürstl. Gnad.
Landzoll zu besagtem Flerßheim; durch welches
sonsten die ordinari Landstraß gehet; merklich
abträglich ist, also wollen wir darfür halten,
daß zu verhüthung weitern bösen eingangs den
geklagten graben aufzuwerfen und zu conferiren
hoch nöttig, eß wehre dan, daß der in anno 62 mit
hessen darmbstatt aufgerichte vertrag hierin ein
anderß disponieren mögte. Ew Fürstl. Gnad.
empfehlen Wir darmit zu beständigem hohem
Fürstlichen Leibß und Regierungs Wohlstand
Gotteß schutz treuligst.
Maintz d. 23.ten Novembris 1682
Dechand undt Capitul
deß Dhomb Stifts zu Maintz.

Hess. Staatsarchiv 105_317_005-2

Notiz:

Freitags d 20ten Novembris 1682 ist ein gesandter
von Darmstatt H. Malcomesig alhier gewesen undt
die hinweg schaffung zweyer dem vorgaben
nach besonders dem Graben gemachter abschnitt
gar instendig begert. Ist ihm zur …
gegeben worden daß man vor alles denen den
augenschein einnemmen Ein hochwürdiges
Dohm Capitul undt die gemeindt Flersheim
holen müssen ob auch gegen das alte herkommen
etwas attentiert worden seye. Ermelter
H. Malcomesig ist mit dieser resolution
nit allerdings zu frieden gewesen …
pro memoria

Hess. Staatsarchiv 105_317_006-1

Das Domkapitel schreibt am 26. November 1682 an den Erzbischof:

Dem Hochwürdigsten Fürsten und Herrn
H. Anselm Frantz deß Heyl. Stuhls zu
Maintz Ertzbischoffen, deß Heyl. Röm. Reichs
durch Germanien Ertzkantzlern undt Chur-
Fürsten, unserem Gnadigen Lieben Herrn

Hess. Staatsarchiv 105_317_006-2

Hochwürdigster Fürst
weißen bey Erw. Fürstl H. sich die
Frau Landgräfin, Regentin undt
Vormunderin zu Hessen Darmbstatt
über einen innseits Rüsselsheim
selbigem Mainfahr zu unserem
nachtheil aufgeworfenen graben
gegen Unsern schultheißen zu flers-
heim beschwert gemacht, ein solcher
habe wie abderselben Unß commu-
nicirt undt hiebey wieder zurück-
gehenden schreiben, mit mehreren
vernohmen und daraus nit
underlaßen, worüber behörige
information ein in dießen, was
es darmit nuhn für nur war-
haft Enschiedenheit habe, ein
solches sowohl Ew.Fürstl Gnad.
ab hiebey folgenden Uns erstattenen
relation hinwieder gnediglich
zu erfahren undt berichten Uns
die Unsrige dabey ferner
mündlich, da die Ältesten
Rüsselsheimer Underthanen selbsten
hinwieder sollten verhört werden,
daß Sie ein ebenmaßiges zurück bringen
undt außsagen müßig;
Gleich wie nuhn die auf …
questionis eine zeitlang neuer-
lich eingeführte Landstraß nit
alwie denen privatis, auf den
äckern selbiger vorgehet, schädlich
sondern auch Ew. Fürstl. Gnad.

Hess. Staatsarchiv 105_317_007-1

Land … zu besagtem Flerßheim
hiedurch welcher sonsten die ordinari
Landstraß gehet; merklich ab-
träglich ist, also wollten wir
darfürhalten, daß zu Verhü-
thung weiter bösen eingangs
der geklagte graben … zu werden
undt zu … hochnöthig,
es wehre das, daß der in anno 62
mit Hessen Darmbstatt
aufgerichte vertrag hierin ein
anders disponieren mögte. Ew.
Fürstl. Gnaden empfehlen wir darmit
zu besten …
C. Maintz 23.nov. 1682

Hess. Staatsarchiv 105 317 007-2

Entwurf eines Schreibens des Erzbischofs an das Domkapitel:

Anselm Franz
Lieber und achtiger
welcher gestalt die Fraw
Regentin und Vormünderin zu Hessen Darmbstatt
Hoch. sich gegen Euren Schultheißen zu Flers-
heimb beschwert, daß derselbe das Rüsselsheimer
Mainfahrt innseits Gewalt undt aigen
thatig weis zu vergraben und zu verscharren
sich understanden haben solle, und was derselbe des
wegen zu …fuges gebotten
solches gibt bey gehendes
originalschreiben, so wir hinwieder
zu rück erwarten, mit mehreren
gesinnen demnach
an Euch gnadiglich Ihr Gnaden Florsheimer
Schultheißen über das angegeben factum vernehmen, und
solchem nach Eurem Bericht , was es darmit
vor ein Beschaffenheit habe, samt angehengtem
Gutachten furtersambst uns ein schicken wollen, umb
gnad. Frau Landgrafin mit bestem
bestandt hinwiederumb … und erwartten zu können
… …
Mainz den 18. Nov. 1682
An
Ew. hochwürdig domb Capitul

Hess. Staatsarchiv 105 317 008-1

Der Erzbischof schreibt an das Domkaopitel:

Fahr zu Flörsheim
Anselm Frantz von Gottes gnaden Ertzbischoff zu
Maintz, des Heyl. Röm. Reichs durch Germanien
ErtzCantzler und Churfürst

Unsern freundlichen Gruß zuvor würdig: und Ehrsamber
liebe andächtige. welcher gestalt der Fraw Regentin und Vor-
munderin zu Hessen Darmbstatt Ew. sich gegen Eueren Schul-
theisen zu Flersheim beschwert, daß derselbe das Rüssels-
heimer Mainfahrt irnseits gewalt: und eigenthätiger weis
zu vergraben und zu verscharren sich understanden haben
solle, und waß dieselbe deswegen zu verfügen gebetten,
solches gibt beygehendes Original schreiben, so wir hinwieder zurück erwarten, mit mehrerem; Gesinnen demnach ahn Euch gnädiglich, Ihr gedachten Flörsheimer Schultheisen über das angegebene factum vernehmen, und solchem nach oberem bericht, was es darmit vor ein beschaffenheit habe, sambt angehenktem gutachten fürdersambst Unß einschicken wollet, umb gedachte Fraw Landgräfin mit besserem bestand hinwiderumb beantwortten zu können und wir verbleiben
Euch im übrigen mit freundschafft, gnaden auch allem guten
wohl beygethan. Datum zu St. Martinsburg in Unserer
Statt Maintz den 18t Novembris 1682
Anselmus Franziskus Ertz
ahn allhiesiges Dhom Capitul
Johann Jacob Frantz

Hess. Staatsarchiv 105_317_009-1

Johan Neumann, Flörsheimer Gerichtsschr, an den Dechanten:

Hochwürdiger Wohl Gebohrener
Gnädiger Herr
Eß habe unß Ew. Hoheres und Gnaden von 21.isten
datiert Gnädig ober schickten befehl: daß
die von Fürstl dharmb stattischen Seithen,
wegen ainiges gegen Rüsselsheimb unser
seits, zwahr jüngst wieder ausgehobenen graben
gegen den zu gedachtem rüsselsheimb, ver-
meintem Main fahr zu sein sich beschwehrten
underthäniges ersehen, darob derer aig-
entlich und gründlichen beschaffenheit, nach
Auß sage der ältesten alhier ahnnoch lebenden
Männern, gehorsambst zur berichten nicht
verhalten wollen, welchen gestalten vor
daß erster vor uhndenklichen jahren unserer
von älteren, einen langen diefen graben
zwischen unserer den gemeind waith undt
habendes ackerfelt, von oben herab biß ahn
die Mühlbach auffgegraben, uber welchen sie ein
Stieg, so gerath gegen rüsselsheimb, ahn
dem eselsfarth genand gelegt; dessen
die müllers, wan sie mit ihrem selbstaigenen
Nachen früchte von dharmb stattischer Seithen
abgeführt, auf ihren eselen von dem wasser
in ihre Mühle zu führen sich bedienen können,

Hess. Staatsarchiv 105_317_010-1

welchen wir alß mehr und für dißmahl wider
ausgehoben und mit einem solchen Steeg
verlegt; und gehet es zur mahlen kein sond-
erlicher fahrweg noch straß durch nothbar
sothanen graben gegen den Mayn; wir nicht
allein eines Hochwürdigen dhomb stiffts …
sonderen deß Closters Erbach, Closter zu St. …
und Closter zu weisen frauen in Maintz, Gütter
bücher genugsamb beschreiben; daß denen Gürtter
ahn dasigem orthpfath ihr sach, auß den wasser
uber den eselspfath; und müssen daß
… buch meldet, auf daß mühlfahrer,
aber uber keine landstraß noch auf daß
rüsselsheimer fahr, oder fuhrweg ziehen;
alß aber in den wirhen Schwedischen Kriegß
zeiten man sich von Zoller orths far, der vestung
halber nacher rüsselsheimb in schutz begeben müssen;
die Schiffs… und nahen von hierab aufer rüssels-
heimb, von hiesigem fahr nit abgeführt, alda
dan selbe zeit daß nöthige uber und herüber fahr
zu beförderung allen lebens mittelen gebraucht;
den graben darließ, biß man ihn nachgehents wider
ausgehoben, in etwaß nüber gefahren, und zur
geschleift worden, wie dan auch wir daß selbe
dazumahl und bis dahero außer einer freund
libenden nachtfahrschaft, und keiner gewohlsamber
Straß zu gebrauchen nachgesehen;

Hess. Staatsarchiv 105_317_010-2

zweitens so haben die müller vor und in dem
krieg zwar nachen in der bach stehen gehabt,
wohmit sie selbsten über und herüber gefahren
die früchte von jener seithen abgeholt, wan sie
mit karch darzu fahren wollten, alß dan auf
jenseiths die bach hinüber biß ahn den wassem
sowohl den weg noch heringehet gefahren,
und haben ihro durchlaucht von darmbstatt da zu
mahl alda kein bestands fahr gehabt,
welches alß nahgehents einzu
schleifen; sich unterstehen wollen; wie dan bereits
unß genugsamb für aigen gestelt, in dem
ein von uhn gefehr 12 oder 15 jahr ein solches,
ohn ahn streich beßeren, noch unserer Gnädigen
herrschaftliche obrigkeit, ahn … …
den fischeren alda .. wie ihnen wider alts
herkommen, nun durch unseren herrschafftliche
.. Gürtter ein offen Straß daherin
zu lassen unß nicht allein in verderbung der
berichten grossen pfaden zu …, sonderen
… der hohen obrigkeit zu endlichem …
gereichen dörfte; so haben wir umb verhürttung
den selben, und zu erhaltung unseres rechtens
einen solchen graben wider ausgehoben, einen
Steeg wie von alters darüber gelegt; damit
dan die müller ihr habendes mühlfahr auch
künftig herin weider gebrauchen, daß darumb

Hess. Staatsarchiv 105_317_011-1

stattische aber allein alhie ahn flerßheimb
wir, wider einiges wider .. geschehen
zu laßen; welches alles besonder sachen nach
die ältiste gericht, gemeinde vorgänger, und
theilß gemeines leuth alß ausgesagt; und
haben es alles ihro hochw und gnaden in dem darüber
gehaltenem protocoll … was dißes dar
über auf gesetzt, und ahn H. … von walt-
… eben seindt gnädig zu ersehen; … mich
in derer getrewen …empfehlung und vor

Ehrw. Hochwd. und gnaden
underthänig ge-
horsamber underthan
Johan Neumann
Gerichtsschreiber
Flerßheimb d. 22ten …

November 1682

Hess. Staatsarchiv 105_317_011-2

Weiter Johan Neumann:

Hiebey kombt noch, daß die alten außgesagt, alß
sich der Krieg in Anno 1630 : 2 und 3 und 34 daher
umb starck bezog, habe ein einiger fischer mit
nahmen Gernod zu rüsselsheimb gewohnet, welcher
dazu mahl die leuth mit seinem fischer nachen über
und herüber geführt, seyn nach dem selben ein
… man wilhelm baum genand daherin
kommen, der dan auch einen main nahen beistand
gefahren habe; nach dem Krieg alß forth so wohl
naher Maintz alß auch über das wasser gefahren
dessen fraw so noch zu rüsselsheim wohnt alß fort
biß vor ungefehr 12 od15 Jahr, …
bring Zinß darauf gestelt gefahren; und habe
den Fürst von dharmbstatt ein ander gewohlig-
keit fahr zu halten alß gegen flerßheimb, vor
zu dan die straß so wohl auf dißer alß jener
seithen gehet; und wird seines wegß erweißlich
sein, daß nie einige straß, durch deßen gemarck,
gegen rüßelsheimb zum fahr gehet, und der
graben seyn alle zeit dagewesen; weilen dafürher …
den weith gepflegt zu gehen; damit die feuchte
conservirt bleibe; wie nun die müller auch ahn den
bach ihre auß und eingang zu ihren nahen gehabt
seyn noch erweißlich zur …; da dan auch eine

Hess. Staatsarchiv 105 317 012-0

Müllerin so bey 80 Jahr alt alhir noch lebend, welche
wohl wissent, daß ihr Man die oben Mühl
bewohnt, den pfath mit eseln betrieben; und
den fuhr weg mit dem Karch ahn dem salfelder
wassem gehabt; alwoh sein nachen gestanden;

Hess. Staatsarchiv 105_317_012-1

Notiz Johan Neumann:

Actum Flersheimb d. 5. Dezember 1682

Seindt auf eines Hochwürd. Dhombcapituls gnädigem
Befelch nachbemelte alte Männer wegen des Kurmaintz.
Rüsselsheimer Main- und Nehefars nach gegebener
… abgehört worden.

Philip Ruppert Undschultheiß. pp seines alters 60-Jahr zu Wicker
gebohren, nun 36. Jahr alhir gewohnet, sagt, daß er, alß noch ungeheyratet, mit seinen Eltern den schutz kriegshalber ahn
der Vestung Rüsselsheimb gesucht, gesehen, daß mit einer
alten Nehe, und anderen nachen die benachbarte über und
herübergefahren, auch theils schiffung deren selben eigen gewesen, und man habe dazumahl daß Flerßheimer fahr kriegshalber
nicht gebrauchen können, und weilen d schutz also gesucht, seye
demselben auß nachbarschaft nachgesehen worden; alß er
sich nun nacher Flersheimb verheyratet, habe sein Vorfahr
Henrich Kester sehl., daß daigsfahr gehabt, welches er nachge-
hents bedienet, und wan der Fürst von Darmbstadt in daß
Schwalbach gewolt, habe er mit seiner Nehe von Flersheimb
nacher Rüsselsheimb treiben, und dieselbe übergefahren,
essen und trincken seye sein Lohn gewesen, seiner Fraw habe
ihm gesagt, weil kein fahr zu Rüsselsheimb gewesen, habe
ihr erster Man sehl. Hentzel genannt, dieselbe also mehrmahlen
übergeführt, er wüste gantz wohl, daß der Eselspfad
und kein fahrweg od sonsten straß nacher dem wasser gegen
Rüsselsheimb zu gieng, auch an Zeit seines Undschultheißen
diensts den alten graben, durch die gemeint etlichmahl
ausheben, und einen Stieg darüber legen laßen, daß man

Hess. Staatsarchiv 105_317_013-1

den pfad zu Roß und Furs gebrauchen können, der graben seye
ind Zeit zu für schutz, deren herrschaftlich pfachtbahrer güter da
gewesen, daß Fürstlich Darmbstattische fahr woher allezeit zu
Flerßheimb gewesen, die fuhr über die Ecker seye Ihrer …
zwar auß höfligkeit, und keines wegs auß einer gerechtigkeit
vergünstiget gewesen, endet seine Außag.

Johan Nauheimer pp. seines alters 59. Jahr sagt; daß ein Man mit
nahmen Fischer Jacob genannt zu Rüsselsheimb gewesen, welcher zu Zeit d Notturft die Leuth mit einem Nachen übergefahren,
es wehre kein Nehr alda gewesen, alß aber der Krieg wehre eingefallen, und man daß fahr zu Flersheimb nicht gebrauchen
können, sonderen durch schutz der Vestung zu Rüsselsheimb
gehalten worden, nachgehents aber zu Flersheimb wird mit …
Nehen und Nachen gefahren worden, der färcher von hier seye verschiedlich mahl mit seiner Nehe nacher Rüsselsheimb gefahren,
und den Fürsten alda übergeführt, seye auch ofters zu Flerßh.
übergefahren, der ausgehobene graben, woher vor dießmahl nit
New, sonderen seye allzeit da gewesen, es gieng kein straß, sondern nur der Eselspfath, welchen er selbsten mit einem Esel, alß
in d Mühl gewohnet, ahn daß wasser, mahlfrucht abzuhohlen,
betrieben, und weil man so wohl im alten alß jüngerem Krieg
die Zuflucht ahn Vestung gesucht, habe man aus nachbarschafts
wie noch also zu Rüsselsheimb, keines wegs aber auß einer
Gerechtigkdeit fahren lassen, und weilen es also dahin gezogen worden will er ein solches wegen der Nachkommenden wieder
streichen thete;

Hess. Staatsarchiv 105_317_013-2

Niclaß Hart gemeiner Vorgänger 75. Jahr alt pp. daß er in seiner
Jugend gesehen, daß die Müller den Eselspfath mit ihren
Eselen über den graben betrieben, habe keinen fahrweg dahin
zufahren gesehen, der graben seye aus, wie allezeit gehoben
gewesen, die Rüsselsheimer seyen mit Nachen über und herüber
gefahren, und alß in Schwedischem Krieg daß fahr zu
Flerßheimb nicht gebraucht, sonderen wohe man darzu kommen
können, gebraucht worden;

Henrich Strack gerichtsverwander pp. seye im Sechzigsten Jahr, wüste nicht anders, alß daß er selbsten gesehen, vor diesem nur
zu Rüsselsh. mit Nachen übergefahren, alß aber d Krieg
wehre eingefallen, und man daß fahr zu Flersheimb
nicht gebrauchen können, hette man dasselbe wegen der Vestung
dahin gezogen, so man auß Nachbarschaft willen, weil man
Zuflucht dahin genomben, nachgesehen, seye sonsten alle Zeit, gleich anietzo ein ausgehobener Graben da gewesen, worüber ein Steg gelegen, so man den Eselspfath genent, auch gesehen
daß die Müller mit ihren Eselen über und herübergefahren,
seye sonsten kein gemeiner land- noch fahrweg inmahls
da gewesen, aber graben sey allezeit, wie itzo ausgehoben
gewesen, und wan daßelbe fahr zu einer gerechtigkeit
solte gezogen werden, müste man es wieder streichen.
Johan Müllers sehl. wittib, die alte müllerin bey 80. Jahr alt, sagt,
alß sie noch in d Mühl gewohnet, ihr Man einen aigenen Mühlnachen ahn der bach stehen gehabt, und wan er

Hess. Staatsarchiv 105_317_014-1

über den Main mit seinem Karchen gewolt, er auf einer
seith der bach ahn das wasser gefahren, den Karch auf und
daß pferd in den Nachen gestelt, und übergefahren, den
Eselspfath mit Eselen, umb frucht abzuholen betrieben,
sie hetten diesseith d bach kein fahrweg brauchen dörfen;
wüste weiteres nichts. Endet ihr außag.
Johan Newman

Hess. Staatsarchiv 105_317_020-2

Notiz an das Domkapitel:

Insonders hochgeehrter Herr
hiebey communiuri ein extract auf einem
gewissen entschiedt de Anno 1491 das fahr
zu Rüsselsheimb betreffend. Ein Hochw. dohm Capitul
wurdt sich darnach zu richten wissen. doch würdt
gutt sein, wan man von sothanem entschiedt noch
zur Zeit kein großes weistesmacht; dan man
die darmstadtische recht ohnlauts zu lassen gebrachet.
… … d. 24. Marty 1683
Meines hochgeehrten Herrn
dienstbereitwiligster
Johan Berfellt

Hess. Staatsarchiv 105_317 _021-2

Brief des Hess. Canzlers an das Domkapitel:

Unsern freundlichen Dienst und Gruß
zuvor, Wohlgebohren, auch Edel undt
Vester, Ehrenwert undt Hochgelährte
besonders liebe Herren undt gute
Freunde.

Nachdem uns von denens Fürstl. Beambten
zu Rüsselsheimb der Bericht erstattet wor-
den, wie von Seiten der Churmainzischen
Beambten das Maynfahrth daselbsten, bey
ohnlängst gewesenem Hochheimer Marckte
ganz neuerlich dardurch beeintrachtiget
geworden, daß mann unterschiedene fremb-
de Leute mit ihrem Viehe auf solchem Marck-
te, auf- undt darzu anzuhalten gesu-
chet, daß sie zu Flörsheimb umb Chur-
mainzischer Seiten alldar den Zoll einzu-
ziehen, überfahren solten. Nachdem
nun dieses eine Neuerung und der dis-
seitigen wohlhergebrachten Rüssels-
heimer Maynfahrth zum Nachtheil undt
großen Schmälerung gereichet; so er-
suchen wir die Herren hiermit freund-

Hess. Staatsarchiv 105_317_022-1

nachbarlich Sie, geruhen zu verfügen,
daß solches abgestellet, mithin die gute
Nachbarschaft nicht unterbrochen, undt
zur weiterung anlaß gegeben werde.
Erwartten hierauf der Herren beliebige Antwort.
Undt seind denen Herren zu allen freund-
nachbarlichen Diensten stets willig und
bereit. Binßen? den 10ten Juny 1695
Der Herren
freund- und dienstwiliiger
Hess. Praesident, Canz-
ler, Geheim- undt Regie-
rungs Räthe daselbsten

Hess. Staatsarchiv 105_317_023-1

Notiz des Domkapitels:

Lectum in consilio & conclusum. Comunicetere dieses hessische
Regirungs-Schreiben Ihro Hochwd. geehr. Herren Dhomdechant
umb von demselben, als ambtman zu Hochheim und Flerßheim,
zu vernehmen, was es mit dieser angebrachten beschwehr-
ung vor ein beschaffenheit haben möge, damit gemelte Darm-
städtische Regirung der gebühr hinwieder beantwortet werden
könne.
Mainz den 30ten Juny 1695

Hess. Staatsarchiv 105_317_023-2

Brief vom Amtsverweser der Domdechanei Hochheiman den Domdechanten:

H. Statt Schultheißen zuzustellen cum prionbg?

Hochwürdig-Hochwohlgebohrener Freyherr
Gnädiger Herr Dhombdechandt

Auf Erw. Hochw. und … gnädigen Befehls berichte
hinmit gehorsamblich … daß bey Letzterem
den 30. und 31.t May laufenden Jahres, gehaltenem
Hochheimer Marck einige Churfürstl. Maintzl. Hochh.
Hessen darmstattische und andere schutzverwanthe
Juden, welche von Rüsselsheim über den Mayn
auf die Flörsheimer seithen mit dero Viehe, be-
sagten Hochheimer Marck zu betreiben, gefahren,
auf anlangen des Zöllners zu Flörßheim, umb derent-
willen zu gedachtem Hochheim angehalten worden,
weilen sie insgesamt dero pflichtigen Zoll auf
der Flörsheimer seithen, welches territorium sie
zum ersten betreten, nicht endrichtet, um da-
rinnen Ihnen einer, ein Churftl. Maintzer Jude
von Ober Rothen, mit nahmen Simle, sich gegen
des Flörsheimer Zöllners Sohn, welcher ahn dem
Mayn bei dem herüber fahren den Zoll einzu-
nehmen aufgewartet, widersetzet, Ihm mit gewalt
endlaufen und mit seinem Vieh auf Hochheimb

Hess. Staatsarchiv 105_317_024

Ordhnung denselben daselbsten objustation
schuldig geworden, solchen aber überfahren,
so stehet zu herrschaftl gnädigen Verordnung
was ferner gegen diesen Juden vorzunehmen;
wobey jedoch zu underthäniger nachricht gebe,
daß nun von vielen Jahren her, da zu
Zeiten des Hochh. marcks alle straßen mit
Hüter bestallet, damit kein Vieh neben abge-
trieben werden könne, die dahin kommendte

Vieh Händler, Juden und andere so von Rüsselsheim
auf die Flörsheimer seithen und forthin zu
dem Hochh. Marck gefahren, vieler ohngelegen-
heiten und beschwehrmaßen halber dero schuldigen
Zoll nicht zu Flörsheim sondern zu Hochh.
abgeleget haben, und noch obstatten, bey
welchen es auch, sonderlich zu Marck Zeiten
weilen doch beide Zoll einer Herrschaft
zukommen, zu lassen, die Hochh. gemeindt
underthänig bittet, jetz aber …

Erw. Hochw. und Gnaden
Maintz den 6. July 1695

underthänig-gehor-
samber knecht
Johann Baptist Culman

Hess. Staatsarchiv 105_317_024-2

Notiz:

Conclusum Camerale ist dahin ergangen, daß alle Juden
und Viehtreiber an dem Orth zollen sollen, welcher sie zum
ersten betretten. gleichwie es in der pfaltz und darmstättischen
üblig, alhero zuvor alle Zoll under eine Herrschaft gehoren.
nichtsdestoweniger ahm ersten zollplatz die gewöhnliche
Zoll entricht wirdt, dergestalt das derjenige straffbahr
ist, so die erste Zollstatt vorbeyfahrt, ohneracht selbigen
ahm bereyten Zoll seine gebühr entrichten solle.

Weilen auch pro Secundo die rüsselsheimer Oberfahrt
daß jur einer fahrt nit hat, sondern von ihrer churfürstl.
gnaden disputiert wird, als könte dieser mißbrauchte
fahr durch kein mittel besser unbrauchbahr gemacht
werden, alß wan alle Juden und Viehtreiber ahnge-
halten würden. ihre Zoll zu Flersheim oder
Hocheim wo sie nemblich zum erst. die dhombcapitul.
zoll zum ersten betroffen, thätten abstatten wobey
zu mercken, daß weilen rüsselsheim zwischen hocheim und florsheim ligt, die Juden und Vietreiber ihrer bequem-
lichkeit halber lieber das flörsheimer Fahr sich bedienen
würden, umb den umbweeg zu vermeiden, alß zu
rüsselsheim oberzufahren, und widerumb zurück nacher
flörsheim den Zoll zu entrichten zu lauffen.

Hess. Staatsarchiv 105_317_025-1

Brief Amtsverweser Culman an die Kurfürstl. Mainzer Regierung:

Underthäniger Bericht
wie es mit denen auf dem
Hochh. Marck angehaltenen
Jüden ergangen, welche von
Rüsselsheim über den Mayn
auf die Flörsh. seithen
gefahren, und daselbsten
den Zoll nicht endrichtet.
Sub dato Maintz den 6. July 1695

Hess. Staatsarchiv 105_317_025-2

Auf den jüngsthin ahn Ihren Hochw. und gel. Herrn
Dhomdechanden alhier zu underem 6. July underthänig
Erstattenden, und folgenden tags der alhießigen
Churfürstl. Hochlöbl. Regirung aus geh. befelch com-
municirten Bericht, die Endrichtung des Zolls
zu Flörsheimb von denen jenigen, welche zu
Rüßelsheim über den Mayn auf die Flörsheimer
seithen fahren, auch die von der Hochfürstl.
Hessen darmbstättischen Hochlöbl. Regirung
underem 10. Juny laufenden Jahres deswegen
eingeschickte beschwehrung betreffend, ist von
eines Hochw. Dhom Capituls hochlöbl. Praesentz
Cammer mit gnädigem consens Herrn Dhomb-
dechandts Hochw. und gel. nach genugsamber über-
legung dieses … umbständen, dahier
geschlossen worden; daß künftighin alle die-
jenige, Christen und Juden, welche zu Rüßelsheim
über den Mayn auf die Flörsheimer seithen
fahren, und dasselbe Territorium betreten,
Es seye in Hochheimer Marcks Zeiten oder
sonsten im Jahr, jedesmahls vor sich und von
dem Jenigen, was die mit sich führen, und zoll-
bahr ist, den Zoll zu mehrbesagtem Flörsheim
ablegen, die Jenige aber, so etwa gemeindenwarts
auf Hochheim gehen, des Zolls daselbsten, weilen

Hess. Staatsarchiv 105_317_026-1

selbigen zu Flörsh. endrichtet, frey gehalten
werden sollen.
Wovon auf ferneren gnädigen Befehls
alhiesiger Churfürstl. Hochlöbl. Regirung
hiemit auch behörige nachricht gegeben wirdt.
Maintz den 3. August 1695

Ex mandato
Johann Baptist Culman
der Zeit Dhomsdechaneys Ambts Verwaltung

Hess. Staatsarchiv 105_317_026-2

Notiz:

Auf diesem des H. Culmans Bericht,
dienet zum Gegenbericht, daß zwar
anno 1491 zwischen Maintz und Hessen,
in dem wegen des Vestungs baues
zu Rüßelsheim und mehr anderer irrung
aufgerichteten Vergleich, auch versehn, daß
Hessen auf dem Leinpfad und Landstrahs
ahm Main zwischen Maintz und Frankfurth
keinen Zoll, weeggelder oder andern be-
schwehrung legen, wenigers durch solchen
Vestungs baw der strohm des Mains,
Leinpfad und Landstrahs geschwert
werden solle; Jedoch Hessen fürbehalt-
lich, ein nahe zu Ihrer alleinigen
nothurft zu Rüßelsheim zu halten,
desgleichen ein Mohlen Schiff und Holtz-
Schiff, umb Holtz und Kohlen darmit
nacher Maintz zu führen.
Weil aber die Lagerbücher D. Electores
Bertholdi dismahls nicht zur Handt,
als das kein zölliger Extracten gemacht
worden.

Hess. Staatsarchiv 105_317_027

Entwurf eines Briefes an die Fürstl. Hessen Darmst. Regierung:

Unseren
Derselben underm 10. t Juny ungsthin
an uns abgelassenen Schreiben haben wir
wohl erhalten, und nichs ermanglet behöriges
information über das inniges einzu-
ziehen, was bey dem letzteren Hocheimers
Marck zu nachtheil des Rüselsheimer Mayn
fahrs vorgangen seyn solle, und darüber
sich die Herrn gegen das in sothanem …
schreiben beschweren wollen. Nun werden sich
dieselben aus denen … zwischen
dem hohen Ertzstift Maintz und denen Herrn
Landgrafen zu Hessen Darmstadt ge-
getroffenen Verträgen zu bescheiden wissen, daß
man für fürstligen Hess. Darmstadter pactano
ein beständiges fahr zu gedachtem Rüsels-
heim über den Mayn zu halten, zu mahlen
nicht berechtiget, und dahero das innige was
man darmit nichtsdestoweniger eine Zeithero
undernohmen, nur thätlige usurpathio-
nes seyen, welche die
… beständig contradiciret worden.
Wir thun derentwegen hiermit dan auch gegen
das innige was am letzteren Hocheimer

Hess. Staatsarchiv 105_317_028-1

Marck mit überfahrung einigers diese Händlers
zu gedachtem Rüßelsheim
abermahles zur ongebühr geschehen hiermit zum
feyerligsten protesdieren, und die Herrn Freund
nachbarlig ersuchen, Sie wollen an behöriges
orth die befehlende verordnung ergehen lassen,
darmit man sich in das Künftige nicht allein
zu Rüsselsheim
sothanes ongebührliges überfahrt gäntzlich enthalten,
Sondern auch intz erwehnten Viehhändler so Viehladern
so jeder derselben gnädigsten Herrschafts
gesessen seynd angewiesen
werden mögen, sich neuerlängs zu Flörsheim
bey dem dasigen Zöller zu sistiren, und
sich wegen des mit einem dazumahlen
übergeführten an dieses schuldigen Zolls zu Verhütung
anderes ohnbeliebigen andung
gebürend abzufinden.
So wie denen Herren
in freundligers antwort auf anfangs

Hess. Staatsarchiv 105_317_028-2

gedachtes in Schreiben … halten wollen, und
verbleiben p. Maintz den 10. Aug 1695
C.M.
Ahn die
Fürstl. Hessen Darmstadt.
regierung