Nach meinem Vortrag „Flörsheims frühe Fischer“ erreichten mich einige Anrufe und Mails, auf sie möchte ich hier eingehen:

Anruf Herr Schneider, Raunheim: Er ist Jahrgang 1931 und glaubt, dass er es ist, der auf diesem Foto (Archiv Flesch/Petry) als Bub zu sehen ist  und dass es sich bei dem Fischer um Franz Nauheimer, genannt Fränzi oder Fränzje, aus der Schmiedgasse handelt, der am 13.01.1896 geboren ist und oft mit deinem anderen Fischer, Guckes genannt, auf dem Main fischte. Und wenn wir schon bei Uznamen sind: Da gab es noch den Goggo Hahn und das Beemsche, auch Nauheimer, aus der Eddersheimer Straße.

Das Nadelwehr im Hintergrund lässt eine ungefähre Datierung des Fotos zu: Noch 1927 waren die beiden Türme intakt (ihr Abbau ist noch zu klären!), während der im Flussgrund befindliche Rest des Wehrs 1938 gesprengt worden ist, dies erzählte mir Max Nauheimer, der im Alter von 6 Jahren die Sprengung selbst erlebt hat.

Wenn ich annehme, dass der Bub im Nachen 7 Jahre alt ist, dann müsste das Foto 1938 aufgenommen worden sein, doch da waren die beiden Türme bereits abgebaut.

Nun habe ich am 10. 11. eine Mail von Herrn Edmund Kollmann bekommen, der schreibt: Mit großem Interesse habe ich in der heutigen Main-Spitze den Artikel über die Fischer in Flörsheim gelesen. Ich kann bestätigen, dass es sich auf dem Bild um den Fischer Nauheimer (Beemsche genannt) handelt. Er war mein Urgroßvater und im Heck des Nachens ist sein Enkel Erich Kollmann, mein Vater, zu sehen.

Einen Tag später schrieb mir Herr Kollmann erneut: Auch von dem Prozess meines Urgroßvaters gegen die „Rot-Fabrik“ in Höchst wurde in unserer Familie erzählt und die zu meiner Kindheit im Mainturm aufgehängten Fischerei-Utensilien (Fischreuse etc.) sollten von ihm stammen. Leider kann ich zu dem Entstehungszeitpunkt des Bildes keine Angaben machen. Aber die Mitte der 20er Jahre dürfte in etwa stimmen, da mein Vater im Jahre 1918 geboren wurde.

Es könnte aber sein, dass es sich bei dem Fischer um Franz Karl Peter Nauheimer handelt. Aber wer ist dann der Bub?

 

Von Josef Hahn, Hauptstraße, habe ich folgende Notiz zur Fischerkerze bekommen: 1971 kostete die Kerze im Geschäft von Hannes Gall, meinem Vater, 125 DM; schon damals wurde für sie Geld gesammelt, die Leute, etwa 30 an der Zahl, gaben 2, 3 oder 5 DM, den Kerzenschmuck in Höhe von 20 DM übernahm Josef Hahn selbst. Der Uropa von Ännchen Guck gab 1 DM, das war damals der Tageslohn eines Flörsheimer Fischers.

Heute im Jahr 2017 sammelt Josef Hahn noch immer für die Kerze, sie kostet mittlerweile 225 Euro, die von 12 Personen aufgebracht werden, denn oft wird Josef Hahn bei seinen Besuchen des Hauses verwiesen mit der Bemerkung: Mutter, Vater sind tot, die Kerze interessiert mich nicht mehr. Übrigens wird die Kerze bei Prozessionen abwechselnd von Josef Hahn und Elmar Schöniger getragen.

Josef gab mir noch diesen Abdruck eines Stempels vom „Fischerei-Verein E. V. Flörsheim a. M.“:

 

Dann bekam ich eine Mail von Herrn Michael Maurer aus Ginsheim, Nachfahre eines Schiffsmüllers, mit einem Ausschnitt aus dem Stich „Flörsheim am Mayn von Mittag her“, gefertigt im 18. Jahrhundert, und dem Text:

„Hier noch mal nur der Ausschnitt mit den fest installierten Fischreusen. Sie haben verschiedene Höhen, um bei jedem Wasserstand erfolgreich Fische in ihnen zu fangen. Solche Anlagen zeugen von reger Fischereitätigkeit, denn man brauchte eine Genehmigung von der Obrigkeit und einen finanziellen Einsatz für Unterhaltung und Erneuerung.

Ich selbst konnte die Funktion solcher Reusen schon beobachten, nachts legen sich Fische gerne in solchen Nischen ab und bei Sonnenaufgang kann man sie leicht ab- keschern.“

Ich hatte immer gedacht, das im Ausschnitt gezeigte Fachwerk aus Holz sei die untere Eisbrech im Gegensatz zur bewachsenen oberen Eisbrech.

Hier besteht Forschungsbedarf!

Von Marcus Nauheimer, einem Sohn von Max Nauheimer und seiner Frau Margot, erhielt ich die nachfolgende Ahnenreihe dieser uralten Flerschemer Familie: Aus Nauheim stammend und deshalb „Nauheimer“ oder „Nauemer“, von mir auf Flerschemerisch verkürzt „Naumer genannt und bis in jene Jahre zurückreichend, die ich in meinem Buch „Das Lächeln der Lisbet Naumerin“ beschreibe. Und welch ein unbeschreiblicher Zufall, dass die erste Nauemerin/Naumerin den Vornamen Elisabeth, also Lisbet, trägt!

 

Nun zur Geschichte der Flörsheimer Fischer in den letzten 140 Jahren (nach Aufzeichnungen von Franz Karl Peter Nauheimer).

Im Jahre 1878 erhoben die Flörsheimer Fischer Klage gegen die Höchster Fischer, da diese forderten, dass die Flörsheimer Fischer nur mit einem Erlaubnisschein der Höchster auf dem Main fischen dürfen. Dagegen klagten die Flörsheimer Fischer beim Amtsgericht Hochheim und obsiegten dort noch im gleichen Jahr.

Doch die Höchster ließen nicht locker, klagten im selben Jahr gegen die Verpachtung der Fischerei seitens der hess. Gemeinden von Kelsterbach abwärts und gewannen den Prozess.

Im Sommer 1883 gab der Amtsrichter den Flörsheimern den guten Rat, den Zivilprozess gegen die Höchster Fischer anzustrengen

Doch die Flörsheimer Fischer sahen sich außerstande, den Prozess weiterzuführen und baten die Gemeinde, dies zu tun.

Daraufhin wurde im Jahr 1889 zwischen den Flörsheimer Fischern und dem Gemeindevorstand Flörsheim ein Vertrag geschlossen, die Fischer hatten 300 Mark zu zahlen, im Vertrag heißt es:

„Sollte durch obsiegendes Urteil, durch Vergleich oder Anerkennung seitens der Höchster Fischergilde die Gemeinde in den unbestrittenen Besitz der Fischereiberechtigung gelangen, so verpflichtet sich diese, die Ausübung der Gerechtsamen durch Verpachtung zu einem angemessenen und zu vereinbarenden Pachtzins an die von den Contrahenten zu b) gebildete, behördlich zu genehmigende Genossenschaft auf ein im Pachtvertrag, selbst zu bestimmende Zeitdauer zu übertragen.

So geschehen den 30. August 1889.

Die Fischer: Theodor Kohl, Georg Kohl, Lorenz Nauheimer, Jakob Hahn, Karl Wagner, Joseph Klepper, Joseph Hahn, Johann Gutjahr, Georg Hahn, Anton Habenthal, Jakob Klepper, Wilhelm Treber, Peter Nauheimer 2., Philipp Kohl 2., Franz Nauheimer, Peter Nauheimer 3., Ernst Kohl, Peter Nauheimer 4., Philipp Nauheimer 1., Paul Treber, Wilhelm Schellheimer, Johann Klepper.

Der Gemeinderat: L. Schleidt 2., Bürgermeisterstellvertreter, Joseph Hartmann 2., Andreas Allendorf, Adam Hartmann 2., Heinrich Lauck1., Franz Ruppert 2.

Im Jahre 1891 reichte die Gemeinde Flörsheim beim Landgericht Wiesbaden die Zivilklage gegen die Höchster Fischer ein. Die Höchster Fischer gewannen den Prozess am 7. September 1887 vor dem Landgericht Darmstadt und am 24. April 1894 vor dem Landgericht Wiesbaden.

Die Flörsheimer Gemeinde ging in die Berufung und der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt erkannte am 22. Dezember 1898, dass die Flörsheimer das Fischrecht von der Bonnemühle oberhalb Okriftel bis zur Hochheimer-Kostheimer Gemarkungsgrenze auf der preußischen, der rechten Mainseite erhielten. Dieses Urteil wurde vom Leipziger Reichsgericht am 1. Juli 1899 bestätigt.

Im Oktober 1905 wurde vom Flörsheimer Ortsvorstand vor dem Landgericht Darmstadt Klage erhoben, um auch auf der linken, der hessischen Seite fischen zu können. Am 27. Februar 1907 war Termin auf dem Flörsheimer Rathaus mit Zeugenanhörung. Die Höchster zeigten sich bereit, die Fischerei von Eddersheim abwärts den Flörsheimern zu gestatten, doch damit waren die Flörsheimer nicht einverstanden.

Am 13. April 1908 war der Prozess vor dem Landgericht Darmstadt gewonnen und das Oberlandesgericht und das Reichsgericht bestätigten dies am 28. Oktober 1911.

Am 4. Juni 1917 beklagte die Gemeinde noch einmal die Höchster Fischerzunft, da diese Erlaubnisscheine zum Fischen auf dem Main in Höchst ausstellen wollte. Doch am 17. Oktober 1921 bestätigte das Oberlandgericht in Darmstadt das Recht der Flörsheimer Fischer und auf die Berufung der Höchster gegen dieses Urteil wurde am 11. April 1922 das erstinstanzliche Urteil bestätigt.

Am 1. September 1922 wird den Höchstern von ihrem Anwalt geraten, den Prozess, da aussichtlos, abzubrechen.

Danach wurde die Zusammenarbeit zwischen den Höchstern und den Flörsheimer Fischern vertraglich vereinbart.

 

Nun noch einige Daten:

Bereits im Jahre 1900 gründete sich ein Fischereiverein mit dem Namen „Fischerei -Verein Flörsheim“ mit dem Vorstand

Präsident:                 Georg Hahn II.

Vize-Präsident:        Peter Nauheimer V.

Kassierer:                 Josef Hahn

Schriftführer:            Karl Wagner

Vorstand:                  Franz Nauheimer, Theodor Kohl, Johann Klepper, Heinrich Josef Hahn

Die Gründung wurde am 28. November 1900 durch die Polizeibehörde Flörsheim i. V. Lauck genehmigt.

Am 4. Oktober 1925 hat der Verband der Berufsfischer des Untermain, Sitz Frankfurt a. M., die Satzungen festgelegt.

Am 3. Januar 1930 wurde der Verein unter dem Namen „Fischereiverein e. V. Flörsheim“ eingetragen. Wann dieser Verein und wie er abgeschlossen wurde ist mir (noch) nicht bekannt. Allerdings gab er noch 1971 Fischerei-Erlaubnisscheine aus, wie hier zu sehen, und dies, obwohl …

… im Jahre 1962 unter dem Namen ASV „GUT FANG“ Flörsheim/Main der Flörsheimer Angelsportverein gegründet worden war.

Alle Flörsheimer Fischerei- und Angelsportvereine sind Nachfolger der ehemals unorganisierten Flörsheimer Fischer, die ihren Beruf in Erbfolge weitergaben, und sie alle müssen seit 1889 der Gemeinde/der Stadt Flörsheim am Main, der Eigentümerin der beidseitigen Fischrechte auf dem Main in Koppelfischerei mit der Höchster Fischerzunft von der Bonnemühle in Okriftel bis zur Hochheimer/Kostheimer Grenze, Pachtzins bezahlen.

In den Sommermonaten Juni bis September 1926 war regelmäßig an Samstagnachmittagen eine Verschmutzung des Mains und Fischsterben von der Cellulosefabrik Okriftel abwärts bemerkbar. F. K. P Nauheimer setzte sich schriftlich am 28. September 1926 mit der Fabrikverwaltung in Verbindung, doch alle Verantwortung für das Fischsterben wurde abgelehnt. Nauheimer klagte und bekam Recht: Am 13. Dezember1928 musste die Beklagte 900 Mark plus Zinsen seit dem
1. Januar 1928 bezahlen.

In seinem Bericht schreibt Franz Karl Peter Nauheimer noch diese bemerkenswerten und anrührenden Sätze:

„Ein anderes Kapitel soll jetzt Platz greifen und zwar das der Kämpfe um die Gerechtsame.

Friedlich und ungestört haben unsere Altvorderen gefischt. Niemand hat sich um sie gekümmert, oder ihnen Einschränkungen oder Einhalt geboten. Viele der gefangenen Fische wurden von unseren Müttern, Großmüttern und Ur- und Ururgroßmüttern mit Zubern auf dem Kopf tragend, dazwischen ein ‚Kitzel‘ liegend, zum Verkauf in die Nachbargemeinden getragen. Waren die Fische verkauft und die Fischerinnen kamen wieder fürbaß in die Fischerhütte, dann wurde von uns Buben und Mädels der Zuberdeckel gelüftet, denn immer waren für alle, Groß wie Klein, Geschenke aus dem blauen Ländchen zu finden. Ein Stückchen Dörrfleisch, Hausmacherwurst, Eier, Bauernbrot oder Lattwerg oder Äpfel fand man immer. Und wie das schmeckte! Nein, nicht genascht haben wir sondern wahrhaft satt haben wir uns an dem Mitgebrachten gegessen. Es gab noch keine Kunstdünger und Margarine sondern alles schmeckte hausbacken und war an reiner Luft und goldener Sonne gewachsen. Wir bekamen rote Backen und wurden groß und stark davon. Doch diese Herrlichkeit hatte keine Bleibensstatt.

Gestützt auf unvordenkliche Verjährung wurde unsere Gerechtsame anerkannt. Aber in einem Punkt wird in der späteren Geschichte niemals gestritten werden. Dieses ist unsere Fischerkerze.

 Auch dieser Brauch stützt sich nach alter Gewohnheit auf unsere Altvorderen. Als nach dem Gelöbnis im Pestjahr 1666 die hiesigen Einwohner alljährlich bei der Prozession des Verlobten Tages, als Dank für die Niederschlagung der Seuche die von der Allgemeinheit gestiftete Kerze mitführten, stifteten die Fischer eine eigene Kerze, die ebenso wie die Gemeindekerze bei der Prozession mitgeführt wurde. Und dies hat sich bis auf den heutigen Tag erhalten und nichts kann uns auch trotz abweichender Ansicht von diesem Brauch abbringen. Nicht vom materialistischen Standpunkt beherzigen wir den Spruch:

 „Was du ererbt von deinen Vätern,

erwirb es um es zu besitzen“

 Die beiden Gerichtsurteile, die zu unterschiedlichen Meinungen Anlass gaben und noch immer geben, folgen in den nächsten Tagen. Da ist zuerst der Richterspruch des Landgerichts Wiesbaden vom 24.04.1894 und dann der Urteilsspruch des Leipziger Reichsgerichts vom 27.10.1911.

Nach der Lektüre der Urteile soll sich der interessierte Leser ein Bild machen können darüber, ob die Flörsheimer Fischer, wie Bernhard Thomas sagt, „dreihundert Jahre illegal“ gefischt haben.